GASTKOMMENTAR

Das grüne Lobby-Netzwerk

von Redaktion

Lobbyismus ist eine Form der gesellschaftlichen Vertretung und Durchsetzung von privaten Interessen. Lobbyismus ist grundgesetzlich erlaubt und im Sinne der Pluralität der Meinungen erwünscht. In den vergangenen Jahren ist der Einfluss von Gruppen stark gestiegen, die mit Klimaschutz argumentieren und Gemeinwohlinteressen vorgeben.

In der ökonomischen Theorie lässt sich Politik als Markt für politische Dienstleistungen auffassen, der die Bereitstellung öffentlicher Güter, politische Regulierungen und Subventionen umfasst. Politiker sind Anbieter dieser Leistungen, während Bürger, Unternehmer und Lobbygruppen diese nachfragen. Klimapolitische Akteure wollen die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen, Werten und Zielen gestalten, dazu versuchen sie, die Lobbyaktivitäten in der Energie- und Klimapolitik auszuweiten. Sie verfolgen drei Strategien:

Politische Akteure wollen Einkommenserzielungsmöglichkeit für bestimmte Gruppen schaffen und gegen politische Unterstützung tauschen. In der kleinteiligen EEG-Förderung können Politiker ökonomische Renten den gewünschten Gruppen mundgerecht zuteilen. Die privilegierten Gruppen entwickeln große Eigendynamik, indem sie weitere staatliche Eingriffe oder Sondervorteile fordern, was eine Interventionsspirale in Gang setzt.

Politiker wollen durch Kommunikation politisch mobilisieren. Die bisher ökonomisch orientierte Interessenpolitik wird durch eine moralische Wertepolitik ersetzt. Fritz Söllner legt in seinem gerade erschienenen Buch „Die Moralapostel“ anschaulich dar, wie gesinnungsethische Vorstellungen („Deutschland als Klima-Vorreiter“) zur Verfolgung der eigenen Zwecke instrumentalisiert und Sachfragen zu moralischen Fragen umgedeutet werden. Dies führt unweigerlich zur Zielverabsolutierung („Klimaschutz als höchstes Ziel“) und Mittelverabsolutierung („all electric-society“) ohne Berücksichtigung der Systemzusammenhänge sowie zur Negierung einer Kosten-Nutzen-Abwägung, weshalb eine CO2-Bepreisung kategorisch abgelehnt wird.

Politische Akteure versuchen, sich mit fachlicher Expertise eine Legitimationsgrundlage zu schaffen. Sie geben Studien in Auftrag, um ihre politische Sichtweise als „wissenschaftlich fundiert“ erscheinen zu lassen. Das „Cicero“-Magazin hat jüngst aufgedeckt, dass Akteure in der Klimapolitik seit vielen Jahren strategisch miteinander agieren: Das „grüne Lobby-Netzwerk“ bezeichnet einflussreiche personell und fachlich sich austauschende Netzwerke aus Öko-Lobbyisten, Vertretern von verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen, Wissenschaftlern sowie Vertreter von Ministerien und politische Akteure, die gemeinsame politische und eigeninteressierte Ziele anstreben. Diese Netzwerke geben ausgewählte Informationen an die Politik weiter oder deuten sie zu ihrem eigenen Vorteil um. Ihre eigeninteressierten Ziele kaschieren sie mit Gemeinwohlargumenten („Rettung der Menschheit“-Narrativ). Um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, verweisen sie auf Studien von Agora-Energiewende, die ihre Auffassungen fachlich untermauern (sollen). So sind Forschungsprojekte und Arbeitsprogramme von Agora – durch die damaligen Staatssekretäre Rainer Baake und Patrick Graichen – unmittelbar und intransparent in die Politik eingeflossen. Dies erklärt die enorme Sprengkraft, die der erste Entwurf des Graichenschen „Heizungsgesetzes“ nach Bekanntwerden im Frühjahr 2023 hatte. Es mangelt entscheidend an Transparenz und Pluralität der Meinungen, weshalb Agora-Studien und viele Politikmaßnahmen einseitig und nicht ausgewogen erscheinen. Letztlich wird das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns untergraben. Das Spannungsverhältnis zwischen Lobbyismus und Rechtsstaat ist stets neu und transparent auszutarieren.

* Dr. Rupert Pritzl ist im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Lehrbeauftragter an der FOM Hochschule München tätig. Er gibt seine persönliche Meinung wieder.

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