Schwindel mit Klimaprojekten?

von Redaktion

Um ihre Klimabilanz zu verbessern, sollen Mineralölkonzerne getrickst haben. Nun wird die Staatsanwaltschaft aktiv, auch eine bayerische Firma steht im Fokus. Die widerspricht den Vorwürfen.

Das Umweltbundesamt erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. © Hendrik Schmidt, dpa

München – Nach Hinweisen auf mögliche Betrugsfälle bei Klimaschutzprojekten, mit denen Mineralölkonzerne ihre Klimabilanz verbessern wollen, haben Ermittler Unternehmen in Nordrhein-Westfalen und Bayern durchsucht. In Räumen von Unternehmen in Kerpen, Köln und Langenbach seien am vergangenen Freitag zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt worden, teilte die Berliner Staatsanwaltschaft gestern mit.

Die Behörde ermittelt gegen 17 Beschäftigte wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges. Im Visier sind die Geschäftsführer der Unternehmen sowie Mitarbeiter von Prüfstellen. Laut Staatsanwaltschaft besteht der Verdacht, dass gegenüber der Deutschen Emissionshandelsstelle falsche Angaben gemacht wurden. Nach derzeitigem Stand seien fünf Projekte betroffen. Es soll ein Schaden von mehr als 1,12 Millionen Euro entstanden sein. Das Umweltbundesamt (UBA) sprach im Juni von insgesamt 36 verdächtigen Projekten. Die Behörde hatte Ende Mai Anzeige erstattet.

Mit Projekten zur Minderung von Emissionen will die Mineralölindustrie gesetzliche Klimaschutzauflagen erfüllen. Statt Biokraftstoffe beizumischen, können sie in CO2-Kompensationsprojekte investieren. Dabei handelt es sich um sogenannte Upstream-Emissionsminderungen (UER), wo der CO2-Abdruck aufgrund der Ölförderung durch Einsparungen an anderer Stelle ausgeglichen wird. Dabei geht es etwa darum, dass Ölförderer überschüssiges Erdgas nicht abfackeln, sondern mit neuen Anlagen einfangen und nutzen. Diese werden von deutschen Prüfinstituten zertifiziert und vom UBA genehmigt.

Genau hier kam es nach einem Bericht des „ZDF“ zu Unstimmigkeiten: Einem Bericht von Ende Mai zufolge zeigen Satellitenbilder von den Standorten einiger Projekte in China nur leere Halbwüste, andere sollen bereits Jahre vor der dokumentierten Investition errichtet worden sein. Der Verdacht, dem wohl nun auch die Staatsanwaltschaft nachgeht: Jemand hat die CO2-Zertifikate gefälscht, damit die Ölkonzerne weniger zahlen müssen.

Durchsucht wurde am Freitag auch die Firma Verico SCE aus Langenbach (Landkreis Freising). Diese räumt gegenüber unserer Zeitung Fehler ein, weist die Betrugsvorwürfe aber von sich: „Es ging bei der Durchsuchung um den Vorwurf des Betrugs bei vier Upstream-Ausgleichs-Projekten“, so ein Sprecher. „Hintergrund sind in unserem Fall vor allem Unstimmigkeiten bei den Geodaten der Anlagen.“

Laut Verico gab es einen Fehler bei der Umrechnung der Koordinaten der Projekte. „Diese waren also auf den Satellitenbildern nicht da, wo man sie erwartet hatte. Wir konnten aber auf weitere Nachfragen des Umweltbundesamtes jeweils nachweisen, dass die Projekte so, wie wir sie zertifiziert hatten, existieren, nur eben an anderer Stelle.“ Man habe die Projekte durch Satellitenbilder und teilweise durch einen unabhängigen Dritten überprüfen lassen.

Mit Bezug auf die vier Projekte laufe schon länger ein Verwaltungsverfahren beim UBA. „Wir haben zwischen Oktober 2023 und Juni 2024 bereits viele Nachfragen des UBA zu den Projekten ausführlich beantwortet.“ Scheinbar mit Erfolg: „Mindestens ein Projekt hat das UBA laut Aussagen des Projektträgers schon wieder freigeschaltet, wir konnten die Zweifel hier also ausräumen.“ Dennoch scheint es auch bei Verico Zweifel zu geben: „Einen unserer Mitarbeiter in China haben wir suspendiert, bis alle Vorfälle geklärt sind.“

Die Kompensationsmöglichkeiten wurden 2018 eingeführt und sollten 2026 auslaufen. Nach einer neuen Verordnung vom Juni laufen auch Bestandsprojekte noch bis August 2025. Für Verico war das Geschäft eher eine Nische: „Der Wegfall der UER ist für uns kein großes Problem, aber die Rufschädigung durch die Vorwürfe natürlich schon.“ Denn: „Wir sind vor allem als Treibhausgasexperten tätig. Wir zertifizieren in Deutschland, Spanien und Schweden rund 200 Industrieanlagen.“
MIT DPA

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