Lilium-Chef Klaus Roewe (re.) und Tom Enders übergeben ein Triebwerk an Ibrahim Al-Omar und Fad Al-Jabou von Saudia.
Noch ist es eine Vision. doch 2026 soll, Lilium-Jet mit vier bis sechs Passagiersitzen in Saudi-Arabien Geschäftsreisende, Messebesucher und Touristen befördern. © Foto/Grafik: Lilium
Oberpfaffenhofen – Echte historische Ereignisse sind eher selten. Doch als Klaus Roewe gestern genau das für die Luftfahrt ankündigte, war das kaum übertriebenes Pathos. Mit Saudia habe „die erste Fluggesellschaft angekündigt, künftig elektrisch zu fliegen“, sagte der Chef von Lilium. Die Araber haben bei dem Oberpfaffenhofener Flugzeugbauer 50 der neuartigen Elektroflugzeuge fest bestellt und sich weitere 50 als Option gesichert.
Gestern unterzeichneten Roewe und Saudia-Generaldirektor Ibrahim Al-Omar in Oberpfaffenhofen den Vertrag. „Dies spiegelt unser Engagement für eine kontinuierliche Verringerung unseres CO2-Fußabdrucks wider“, so der Airline-Chef, „und macht uns zu einem Branchenführer in der regionalen elektrischen Luftfahrt.“ Die Flugzeuge sollen es, so der Airline-Chef, Geschäftsreisenden, Messebesuchern aber auch Touristen ermöglichen, schneller zu den unterschiedlichen Orten des Königreichs zu gelangen.
Ein Meilenstein ist der Vertrag auch für Lilium. Tom Enders, der ehemalige Airbus-Chef und jetzige Aufsichtsratsvorsitzende des aufstrebenden Flugzeugbauers, stuft ihn als „sehr wichtig“ ein. Das zeigen auch die nackten Zahlen. Mit diesem Auftrag hat sich die Zahl der Festbestellungen auf 106 fast verdoppelt. Die Aussicht auf kommerzielle Einnahmen erleichtert den Weg zur Flugzeug-Zulassung und zum Produktionsanlauf.
Denn bisher finanziert sich Lilium durch Investorengeldern vor allem aus den USA. Das ist, solange keine Einnahmen fließen, eine schrumpfende Reserve. Bald bereichern selbst erwirtschaftete Erlöse in dreistelliger Millionenhöhe die Gewinn- und Verlustrechnung.
Der Großauftrag aus dem Königreich ist auch ein Signal an die Märkte und könnte künftige Verhandlungen erleichtern. Bei Flugversuchen in Andalusien hat das System, das mit zahlreichen elektrisch betriebenen Turbinen senkrecht starten und landen kann, seine Flugtauglichkeit bewiesen. Vor allem die Fähigkeit, mit den gleichen schwenkbaren Triebwerken in den Horizontalflugzeug überzugehen, wurde anfangs bezweifelt.
Das besondere an dem Flugzeugkonzept ist, dass jedes der Flugzeuge, wenn es älter wird, bei der Leistung zulegen soll. Denn die Batterien sind austauschbar und können durch neuere mit besseren Daten ersetzt werden. Lilium-Gründer Daniel Wiegand spricht von fünf bis sechs Prozent Verbesserung im Jahr.
Dieser Zuwachs kommt überproportional dem Streckenflug zugute, denn für die energiezehrenden senkrechten Starts und Landungen sowie für die vorgeschriebenen Reserven ändert sich nichts. Noch liegt die operative Reichweite bei 175 Kilometern. Doch Wiegand spricht von deutlich längeren Strecken. Auf längere Sicht peilt man 300 Kilometer an.
Die Zentrale des Unternehmens und die Entwicklung soll in Oberpfaffenhofen bleiben. Die Endmontage findet auch in anderen Ländern statt. Angesichts der begrenzten Reichweite wäre es kaum sinnvoll, das fertige Flugzeug per Überführungsflug in andere Kontinente zu bringen.
Zunächst aber muss der Lilium-Jet zugelassen werden. Ein Exemplar für die Tests am Boden durchläuft gerade die Endmontage. Sechs weitere sollen dann abheben. Der bislang noch für dieses Jahr geplante Erstflug des serienmäßigen Flugzeugs hat sich wegen Verzögerungen in der Lieferkette – unter anderem bei zugelieferter Software – auf Anfang 2025 verschoben.
Dann allerdings soll es zügig gehen. Bei den ersten Auslieferungen 2026 soll es bleiben. Wiegand ist auch zuversichtlich, dass die Zulassung bei der zuständigen europäischen Behörde keine Verzögerungen auftauchen. Und die Zulassung am Golf sei, so Vertriebschef Sebastian Borel, „eine Frage von Wochen“.