Parken in der Innenstadt ist teuer bis unmöglich. Die FDP will das ändern. © Jens Hartmann
München – Es ist Sommerloch – und die FDP will bei Autofahrern punkten. Deshalb hat das Partei-Präsidium am Montag neue Verkehrspläne skizziert. Titel: „Eine Politik für das Auto“. Neben einem Bekenntnis zur Formel 1 will sie unter anderem begleitetes Fahren ab 16 ermöglichen und mit KI-Ampeln eine grüne Welle erzeugen. Außerdem lehnt die FDP ein Tempolimit kategorisch ab und will Autos in der Stadt freie Fahrt und kostenlose Parkplätze geben. Das soll mehr Autofahrer in die Stadtzentren locken und den Konsum ankurbeln.
Von den Grünen kam scharfe Kritik an den Plänen. „Autos gegen Fußgänger zu stellen, ist nicht sinnvoll“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. Doch was halten Einzelhändler, Handwerker, öffentliche Stellen und Verkehrsverbände davon?
■ Umsonst-Parken und freie Fahrt in Städten
Laut FDP soll Parken umsonst sein oder mit einer Flatrate abgerechnet werden sowie die Einrichtung von Fahrradstraßen und Fußgängerzonen schwerer werden. Das müssten allerdings die Städte und Kommunen umsetzen. Sie sind sowohl für die Parkgebühren als auch für die Verkehrsplanung zuständig. Vor Kurzem hatte das FDP-geführte Verkehrsministerium die Rechte der Kommunen sogar noch gestärkt, leichter Rad- und Busspuren einzuführen, Anwohnerparkplätze auszuweisen oder verkehrsberuhigte Bereiche und Tempo-30-Zonen zu schaffen. Nun also die Rolle rückwärts?
Das Mobilitätsreferat der Stadt München wollte den FDP-Beschluss nicht kommentieren, verwies jedoch auf die Mobilitätsstrategie der Stadt. Dort heißt es: „Es geht nicht mehr nur darum, möglichst viele Autos durch das Straßennetz zu bekommen.“ Man wolle die Straßen für alle Verkehrsmittel besser machen. Klingt nicht nach FDP-Linie. Selbst der Autoclub ADAC ist skeptisch: „Pull-Effekte für Pkw sollten vermieden werden, um bestehende Verkehrsprobleme nicht zu verschärfen“, sagte ADAC-Sprecherin Katrin van Randenborgh. Fahrradstraßen würden zum Beispiel einen guten Beitrag leisten, um die verschiedenen Verkehrsteilnehmer zu trennen und den Verkehr sicher zu machen. Der ökologische Verkehrsclub VCD übt noch heftigere Kritik: „Mehr Autos in der Stadt will inzwischen niemand mehr, selbst die treusten FDP-Anhänger nicht. Anwohnerinnen und Anwohner haben genug von Staus, Lärm und Abgasen.“ Und Bayerns Handwerkskammer-Präsident Franz Xaver Peteranderl gibt zu bedenken: „Das Handwerk hat gerade in Städten wie München jetzt schon Probleme beim Parken.“ Es falle den Handwerkern „immer schwerer, Stellflächen für ihre Fahrzeuge zu finden, wenn sie Kunden oder ihre Betriebe bedienen wollen.“ Das Problem würde verschärft, wenn noch mehr Autos in der Stadt sind und Parken nichts kostet.
Und der Einzelhandel? Ist ebenfalls nicht überzeugt. Der Auto-Kunde sei zwar am kaufkräftigsten, räumt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern ein. „Und niemand fährt mit der S-Bahn in die Stadt, um einen Fernseher oder einen Rasenmähern zu kaufen.“ Parkmöglichkeiten seien deshalb wichtig. „Gleichzeitig lebt der Handel aber von der Wohlfühl-Atmosphäre in einer Stadt, und Fußgängerzonen wie die Kaufingerstraße sind echte Kundenmagneten.“ Die Gleichung mehr Autos gleich mehr Kunden gehe nicht auf, es brauche ein maßgeschneidertes Mobilitätskonzept für jede Stadt.
Ähnlich sieht es Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter. Er gab gegenüber unserer Zeitung zu bedenken, dass man in Bayern noch nie eine „Auto-raus-Strategie“ verfolgt habe und Geschäfte und Parkplätze erreichbar bleiben müssten. „Gleichzeitig können verkehrsberuhigte Bereiche eine Möglichkeit sein, die Aufenthaltsqualität zu steigern und Radstreifen die Menschen animieren, mehr aufs Rad zu steigen“, sagte er. „Deshalb sollten die unterschiedlichen Verkehrsträger nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern sich ergänzen. Jeder soll das Verkehrsmittel nutzen können, das am besten zu seinen Bedürfnissen passt.“
■ Grüne Welle und weniger Stop-and-go
Die FDP-Idee klingt einfach und doch effektiv: Mit Fahrspurmanagement, Künstlicher Intelligenz und vor allem smarten Ampeln für eine grüne Welle und damit für weniger Stau und weniger Emissionen zu sorgen. Grundsätzlich kann das funktionieren. „Die Nutzung digitaler Möglichkeiten kann positive Ergebnisse für Klima- und Umweltschutz haben“, bestätigte der ADAC.
Was die grüne Welle bei Ampeln angeht, sind die wissenschaftlichen Daten jedoch nicht eindeutig. So verwies der wissenschaftliche Dienst des Bundestags 2021 auf Versuche mit der grünen Welle in Texas, bei denen Fahrer viel Zeit einsparten und der Kraftstoffverbrauch um 13,5 Prozent sank. Das Umweltbundesamt sprach im Jahr 2023 hingegen mit Blick auf ein Modellprojekt in Dresden zwar von deutlich weniger Stop-and-go-Verkehr, aber nur von einer geringen Zeitersparnis und von einer Emissionseinsparung von nur einem Prozent.
Das Mobilitätsreferat der Stadt München verwies auf Anfrage darauf, dass die Stadt Autofahrern schon seit vielen Jahren eine möglichst optimale grüne Welle bieten will. Dabei gebe es jedoch praktische Probleme. Erstens müssten sich alle Autofahrer an die erlaubte Geschwindigkeit halten, damit die grüne Welle funktioniere. Zweitens könne man wegen der Anordnung der Straßen je nach Tageszeit immer nur den Fahrern in einer Richtung eine Bevorzugung geben, während die anderen länger warten müssten. Und drittens müsse man auch auf andere Verkehrsteilnehmer achten, etwa auf Fußgänger oder auf Trambahnen und Busse. Das alles könne die grüne Welle in der Praxis stören.
■ Begleitetes Fahren schon ab 16 Jahren
In Deutschland kann man mit 16 Jahren mit dem Führerschein beginnen und die Prüfung machen, begleitetes Fahren ist ab dem 17. Geburtstag möglich. Die FDP will nun begleitetes Fahren schon ab 16 Jahren ermöglichen. Der ADAC unterstützt das Vorhaben grundsätzlich: „Das begleitete Fahren ab 16 kann die Verkehrssicherheit erhöhen, weil die besonders gefährdete Gruppe der Fahranfänger unter Aufsicht mehr Praxiserfahrung sammeln kann“, sagt Katrin van Randenborgh. „Die positiven Effekte lassen sich aus den Erfahrungen mit dem begleiteten Fahren ab 17 ablesen.“
Ob die Idee umgesetzt wird? Dahinter darf man ein dickes Fragezeichen setzen. Die Bundesregierung hatte das Vorhaben im Koalitionsvertrag, das FDP-geführte Verkehrsministerium scheiterte damit aber erst im April auf EU-Ebene. „Europarechtlich ist das begleitete Fahren erst ab 17 möglich“, bestätigt auch das Innenministerium in Bayern. Für eine Herabsetzung der Altersgrenze müssten zunächst die europarechtlichen Vorgaben in der EU-Führerschein-Richtlinie und dann die bundesrechtlichen Vorgaben in der Fahrerlaubnis-Verordnung angepasst werden. „Dem stünden wir offen gegenüber“, sagte das Ministerium von Joachim Herrmann jedoch unserer Zeitung.