Prominent besetzter Spatenstich: Maarten Dirkzwager (l-r) von NXP Semiconductors, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), TSMC-Chef C.C. Wei, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), ESMC-Präsident Christian Koitzsch, Infineon-Chef Jochen Hanebeck und Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). © Jasmin Beisiegel, dpa
Dresden – Die Bundesregierung und die EU wollen Europa bei der Herstellung von Mikrochips unabhängiger machen und fördern die Ansiedlung von Herstellern mit Milliarden. Zum Spatenstich für ein Werk des taiwanischen Branchenriesen TSMC reisten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) höchstpersönlich an. Auch ein neues Werk von Intel in Magdeburg soll mit Milliarden gefördert werden. Volkswirte sehen das kritisch.
TSMC ist der weltgrößte Hersteller von Halbleitern und fertigt bislang vor allem in seiner Heimat Taiwan sowie in China. In Dresden will der Konzern in Zusammenarbeit mit Infineon und Bosch aus Deutschland und NPX aus den Niederlanden für mehr als zehn Milliarden Euro ein neues Werk bauen, das 2000 Arbeitsplätze schaffen soll. Die Bundesregierung übernimmt davon bis zu fünf Milliarden Euro. In Magdeburg plant der US-Hersteller Intel einen riesigen Produktionskomplex. Laut Bundeswirtschaftsministerium geht es um ein Investitionsvolumen von 17 Milliarden Euro. Berlin hat grundsätzlich Unterstützung zugesagt, der genaue Umfang steht noch nicht fest und müsste auch noch von der EU genehmigt werden. Intel hat den Subventionsbedarf auf zehn Milliarden Euro beziffert.
Standort
Dresden besticht vor allem durch bereits bestehende Strukturen bei der Herstellung von Halbleitern. Branchengrößen wie das US-Unternehmen Globalfoundries und der bayerische Hersteller Infineon produzieren dort seit Jahren, 2021 eröffnete der Industriekonzern Bosch ebenfalls ein Halbleiterwerk. „Dresden ist auch bereits bekannt für Kooperationen der Unternehmen mit örtlichen Hochschulen und Universitäten“, sagt Natalia Stolyarchuk vom Digitalverband Bitkom. Für Magdeburg spricht vor allem die Geografie: Für die dort geplante Chip-Fabrik braucht Intel große, ebene Flächen, viel und möglichst grüne Energie und Wasser – „die Voraussetzungen gibt es etwa in Baden-Württemberg nicht“, sagt Reint Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
Subventionswettlauf
Die über Subventionen forcierte Ansiedlung der Unternehmen sieht Gropp kritisch. Deutschland hätte sich nicht auf einen Subventionswettlauf mit den USA einlassen sollen, sagt er. „Ganz im Gegenteil: Wenn die USA so stark subventionieren, sollten wir es vielleicht lieber sein lassen. Denn dann gibt es billige Chips, die wir kaufen können.“ Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut in Dresden verweist vor allem auf die EU: „Brüssel hat das politische Ziel gesetzt, den Marktanteil der EU-Produktion zu verdoppeln.“ Die Unternehmen würden dann natürlich versuchen, das meiste für sich herauszuholen, sagt der Wirtschaftswissenschaftler – und die Bundesregierung habe sich darauf eingelassen, kritisiert auch er.
Besonders im Fall von Intel in Magdeburg spiele die Bundesregierung „Lotto mit Steuergeldern“, sagt Gropp. Das Vorhaben in Dresden, wo in Zusammenarbeit mit örtlichen Unternehmen hierzulande benötigte Chips produziert werden sollen, könne er eher nachvollziehen. „Aber Intel produziert Chips für iPhones und Computer für den Export.“ Ob dadurch langfristig in Deutschland Wertschöpfungsgewinne entstehen, sei fraglich.
Stolyarchuk vom Bitkom ist optimistischer: „Auch wenn es heute in Deutschland noch keine Abnehmer gibt, die Chips mit kleinsten Strukturgrößen in ihren Anwendungen einsetzen, heißt das nicht, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird.“ Es gehe auch darum, den Anschluss nicht zu verlieren.
Lieferketten
Hintergrund der EU-Bestrebungen beim Ausbau der eigenen Halbleiterindustrie sind die Lieferprobleme während der Corona-Pandemie. Besonders in China standen die Fabriken still, was zu weltweiten Knappheiten führte. Auch mit Blick auf eine mögliche militärische Eskalation des China-Taiwan-Konflikts sind westliche Staaten bemüht, eigene Produktionskapazitäten aufzubauen.
Er könne die Herangehensweise Berlins und Brüssels verstehen, sagt Ragnitz. „Aber man könnte auch die Verbindungen zu anderen Produktionsstandorten verbessern, statt mit viel Geld selbst welche anzusiedeln.“ Die Lieferkettenprobleme würden zudem hauptsächlich verlagert: „Viele der benötigten Rohstoffe kommen weiterhin aus China.“
Fachkräfte
Für IWH-Präsident Gropp ist klar: „Es fehlen die Arbeitskräfte – und wir reden hier von sehr großen Zahlen.“ Die Zeiten hoher Arbeitslosigkeit im Osten seien vorbei, „heute ist genau das Gegenteil das Problem“. Die subventionierte Ansiedlung großer Unternehmen könnte den Fachkräftemangel für örtliche Unternehmen noch verschärfen. Die Digitalindustrie dagegen sieht auch Chancen: „Die Branche erhofft sich mehr Fachkräfte durch eine steigende Attraktivität des Standorts und des Fachgebiets“, sagt Stolyarchuk. Auch für den Bitkom sei aber klar: „Es braucht definitiv qualifizierte Zuwanderung und eine Unterstützung von entsprechenden Studiengängen an den Hochschulen.“
Beihilfe
Bei TSMC in Dresden können– zumindest symbolisch – die Bauarbeiten losgehen. Die Europäische Kommission hat die fünf Milliarden Euro hohe deutsche Beihilfe für den Bau der Mikrochipfabrik in Dresden gestern genehmigt. Die Brüsseler Behörde prüfte die Unterstützung nach den EU-Beihilfevorschriften, die es den Mitgliedsstaaten erlauben, die Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige zu fördern. Nach Ansicht der Kommission hat die Beihilfe einen Anreizeffekt: Ohne die Förderung würde die Anlage nicht gebaut werden.
An dem Vorhaben von Intel in Magdeburg sind die Zweifel wieder gewachsen. Der US-Hersteller hatte Anfang August angekündigt, er wolle weltweit 15 Prozent seiner Stellen streichen. Dazu, ob sich dies auf die Investitionspläne in Sachsen-Anhalt auswirken werde, äußerte sich das Unternehmen nicht.