Wie der digitale Euro funktionieren soll

von Redaktion

Raoul Herborg ist bei Giesecke + Devrient für digitale Währungen zuständig. © Marcus Schlaf

Eine Art Bargeld fürs digitale Zeitalter: Das ist das Versprechen der Zentralbank. © IMAGO/Piero Nigro

Demonstration eines Bezahlvorgangs für eine Tasse Kaffee bei Giesecke + Devrient. © Marcus Schlaf

München – Mit fünf Euro ist der Kaffee zwar etwas teuer, bei dieser Demonstration in einem Konferenzraum des Münchner Technologieunternehmens Giesecke + Devrient geht es aber auch nicht darum, wie viel der Kaffee kostet. Es geht um den Bezahlvorgang ans sich. Nicole Saleh legt das Handy aufs Lesegerät, die Zahlung ist erfolgt, das Geld hat den Besitzer gewechselt.

Eigentlich schon heute ein alltäglicher Vorgang beim Bezahlen, in diesem Fall ist aber etwas anders: Bezahlt hat die Mitarbeiterin von Giesecke + Devrient den Kaffee mit einer Währung, die es eigentlich noch gar nicht gibt: dem digitalen Euro. Genau genommen handelt es sich um eine Demo-Version des digitalen Euro.

„Die Technologie ist reif für den Massenmarkt“, sagt Raoul Herborg, bei Giesecke + Devrient zuständig für digitale Währungen. Dabei ist digitales Zentralbankgeld etwas vollkommen Neues. „Die Innovation ist der Token“, sagt Raoul Herborg. Gemeint ist eine Abfolge von Informationseinheiten. „Einfach ausgedrückt: Am Ende besteht der digitale Euro aus Nullen und Einsen.“

Das heißt: Die fünf Euro sind bei dem Bezahlen des Kaffees in Form eines Datenpaketes vom Handy auf das Kartenlesegerät gewandert. Ein eklatanter Unterschied zu einer heutigen Handyzahlung oder einer Zahlung mit der Giro- oder Kreditkarte: Hier wird die Bank lediglich angewiesen, sogenanntes Buchgeld (siehe Kasten) von einem Konto aufs andere zu überweisen.

Der digitale Euro kann dagegen lokal auf dem Sicherheitschip im Handy, einer Karte oder einem Armband mit entsprechendem Chip gespeichert werden, erklärt Raoul Herborg. Die Rede ist von einem „Wallet“, also einem digitalen Geldbeutel. „Ein digitaler Euro ist wie das Geld, das ich in der Hand halte“, sagt Herborg. „In der realen Welt würde ich zum Geldautomaten gehen, um Bargeld abzuheben, in der digitalen Welt transferiere ich das Geld von meinem Konto auf mein Wallet.“ Es sei aber genauso möglich, das Geld von einer Bank in einer Art digitalem Safe verwalten zu lassen anstatt das Geld zu Hause auf einem Chip zu speichern.

Ebenfalls neu an der Technologie: Ein Kartenlesegerät muss bei einem Bezahlvorgang nicht zwingend über eine Telefon- oder Internetverbindung verfügen, das Geld lässt sich lokal – mit Übertragungstechnologien wie Bluetooth oder NFC – von einem Gerät aufs andere übertragen, sagt Herborg. „Theoretisch kann ich mit dem digitalen Euro offline auf der Berghütte bezahlen, sofern es dort kein Internet gibt.“ Auch bei einem Stromausfall könne man Geld von einem Handy aufs andere übertragen, sofern der Akku auf beiden Geräten noch halbwegs voll sei.

Für Verbraucher sieht der Experte weitere Vorteile: Die teils hohen Transaktionsgebühren der Banken oder Kreditkartenfirmen könnten mit einem einheitlichen europäischen digitalen Zahlungsmittel wegfallen. „Der Handel sieht das Thema daher positiv, die Geschäftsbanken sind da eher kritisch“, beobachtet Herborg.

Ausgegeben werden soll der digitale Euro direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB). „Mit dem digitalen Euro soll die Nutzung von Zentralbankgeld in einer digitalisierten Welt gewährleistet bleiben“, hatte Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz vergangenes Jahr im Gespräch mit unserer Zeitung gesagt. Ein digitaler Euro wäre wie Bargeld „risikofrei, allgemein zugänglich, benutzerfreundlich und kostenlos“.

Für die technische Umsetzung sind Privatunternehmen wie Giesecke + Devrient zuständig. Damit ist auch klar, worauf es ankommt. Das digitale Geld muss so beschaffen sein, dass Kriminelle nicht in der Lage sind, die Währung am Computer zu schürfen. „Die digitale Gelddruckmaschine muss verhindert werden“, sagt Raoul Herborg. Er versichert, dass so ein Missbrauch technisch auch gar nicht möglich sei.

Dieses Sicherheitsversprechen zählt seit über 100 Jahren zum Kerngeschäft des Unternehmens, bekannt geworden ist das Unternehmen durch den Druck von Geldscheinen: Gegründet 1852 von Hermann Giesecke und Alphonse Devrient in Leipzig, erfolgte der erste Auftrag für Banknotendruck bereits 1854. Heute hat das Unternehmen seinen Sitz in München und zählt mit einem Jahresumsatz von zuletzt über drei Milliarden Euro zu den wichtigsten Gelddruckunternehmen der Welt. Kunden sind Zentralbanken. Neben der Herstellung von Banknoten entwickelt der Konzern seit vielen Jahren auch Sicherheitstechnologien für den elektronischen Zahlungsverkehr. Neu ist die Entwicklung digitaler Währungen.

Die Technologie, die auch einem digitalen Euro zugrunde liegen könnte, hat das Unternehmen bereits weltweit erprobt, so zum Beispiel in einem dreijährigen Pilotprojekt mit der Bank of Thailand, sagt Raoul Herborg. Auch gebe es Projekte mit den Zentralbanken Ghanas, Hongkong sowie Eswatini. Der Manager ist sich sicher, dass digitale Währungen in Zukunft „einen wichtigen Beitrag“ zum Digitalgeschäft von Giesecke + Devrient leisten werden.

Wann genau der digitale Euro eingeführt wird, ist noch unklar. Im Herbst 2023 hat der Rat der Europäischen Zentralbank in Frankfurt beschlossen, eine „Vorbereitungsphase“ zu starten. Gleichzeitig hat die EU einen Rechtsrahmen für den digitalen Euro entwickelt, vor gut einem Jahr wurde dieser der Europäischen Kommission vorgelegt. Berichten zufolge ist mit einer Einführung aber nicht vor dem Jahr 2027 zu rechnen.

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