Was die digitale Brieftasche können muss

von Redaktion

Das Smartphone soll in Zukunft nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Brieftasche – also auch Führerschein und Personalausweis – ersetzen. Deutschland arbeitet im Rahmen der European Digital Identity Wallet an einer digitalen Brieftasche für alles. Sie ist EU-weit einsetzbar und kommt spätestens Anfang 2027.

Bunte Mischung: Scheine, Münzen, Karten – bald soll alles auf dem Smartphone hinterlegt sein. © Patrick Pleul, dpa

München/Berlin – Noch gehört der Personalausweis zu den wichtigsten Plastikkarten im Portemonnaie. Er ist eines der wenigen Dokumente, die nicht digital im Smartphone abgespeichert werden können. Dochdas wird sich ändern. Deutschland arbeitet daran, ihn zu digitalisieren und die Brieftasche gleich mit. Dort ließe sich dann auch der Führerschein speichern, bisher eine weitere Plastikkarte.

„Die Idee ist, dass die wichtigen Dokumente alle sicher und EU-weit nutzbar digital im Smartphone vorliegen“, sagt Torsten Lodderstedt von der Sprunginnovationsagentur des Bundes, Sprind. Das Bundesinnenministerium hat die Agentur beauftragt, Konzepte zu entwickeln. Lodderstedt ist Projektleiter. „In der digitalen Brieftasche soll man alles elektronisch speichern können“, sagt er. „Sie ist ein Werkzeug, um Dinge zu digitalisieren, die bisher auf Papier, Pappe oder Plastik vorliegen.“ Eines der Ziele: „Sie können sich dann zum Beispiel mit dem Smartphone rechtssicher ausweisen.“

Technisch ist das nicht so einfach. Die digitale Brieftasche und damit auch der Ausweis sollen überall in der EU akzeptiert werden. Sie sollen sicher sein, damit Kriminelle nicht Ausweisdaten manipulieren und vorgeben, jemand anderes zu sein und etwa unter falschem Namen ein Konto bei einer Bank zu eröffnen. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Methoden, die sich leicht bei Sicherheit und Praktikabilität unterscheiden.

Dass sich die Bundesrepublik jetzt mit der digitalen Brieftasche, englisch Wallet, beschäftigt, hat mit der EU zu tun. Im Mai trat eine Reform der EU-Verordnung Eidas (Electronic Identification, Authentication and Trust Services) in Kraft. Die Verordnung regelt unter anderem rechtssichere digitale Unterschiften und digitale Identitätsnachweise. In der neuen Fassung sind Eckpunkte und ein Zeitplan für die Wallets enthalten. Jedes EU-Land muss danach bis spätestens Anfang 2027 mindestens eine digitale Brieftasche anbieten. „Deutschland tut sich bei der digitalen Identität sehr schwer“, sagt Lodderstedt. „Länder wie Dänemark oder Österreich sind viel weiter und sehr pragmatisch unterwegs.“

Bereits heute gibt es Wallets im Smartphone. Apple und Google zum Beispiel bieten sie auf ihren Geräten an. Dort lassen sich sicher etwa Eintrittskarten, Mitgliedsausweise und Bankkarten speichern. Ohne Letztere lässt sich nicht mobil bezahlen. Aber: „Die US-Konzerne entscheiden darüber, was dort gespeichert werden darf, wie es abgelegt wird und wo es benutzt werden kann“, sagt Lodderstedt. „Das ist problematisch, wenn es um offizielle Dokumente geht.“ Vor allem, wenn die Wallet langfristig als Infrastruktur der Digitalisierung vorgesehen ist. Es geht auch darum, wie eigenständig die EU ist.

Und warum noch eine neue Funktion im Smartphone, wenn es in Deutschland schon die Ausweis-App gibt? Zum einen ist bei der App immer noch der Personalausweis mit elektronischer Identität (E-ID) als Karte nötig, schließlich ist dort der Chip eingearbeitet, der die Person zweifelsfrei ausweist. Zum zweiten gibt es wenig Anwendungen, obwohl es die E-ID schon seit 2010 gibt. Und zum dritten soll die neue Wallet europaweit funktionieren. „Die Verordnung der EU gibt vor, dass dieselben Regeln und technischen Standards für alle gelten, damit die deutsche Wallet auch in Irland oder Spanien nutzbar ist“, sagt Lodderstedt.

In Deutschland ist Sprind beauftragt, zunächst einmal nach Konzepten zu suchen. Es gibt eine Konsultation mit intensiver Diskussion. Und die Sprunginnovationsagentur hat einen Wettbewerb gestartet, in dem derzeit elf Unternehmen Ideen entwickeln. Sechs erhalten in der ersten Stufe je 300 000 Euro, etwa Teams aus Deutschland und den Niederlanden. Die anderen Teilnehmer, darunter auch Google und Samsung, bekommen keine Zuschüsse. Die Prototypen sollen Anfang September vorgestellt werden. Dann gibt es bis Ende Mai noch zwei weitere Runden. Am Ende stehen idealerweise mehrere Ergebnisse, die sich umsetzen lassen. „Die Bundesregierung muss sich dann entscheiden“, sagt Lodderstedt. „Es geht um technische Aspekte, Sicherheit, Datenschutz, aber auch rechtliche und ökonomische Fragen. Das Ganze soll sicher und datensparsam sein, für Nutzer wird es kostenlos. Jeder soll es einfach nutzen können.“ Unklar ist bisher, ob es eine staatliche oder privatwirtschaftliche Wallet geben wird. Oder sogar mehrere.

Die EU-Verordnung schreibt vor, dass die Lösung niemanden ausschließen darf. „Zum Start wird es eine Lösung mit Sicherheitsfunktionen in der Cloud geben“, sagt der Experte. „Damit können viele Smartphones, auch ältere Smartphones, unterstützt werden.“ Und wer allem Digitalen grundsätzlich skeptisch gegenüber ist, kann weiter auf die klassische Plastik-Ausweiskarte setzen.