Ifo: „Wir haben eine strukturelle Krise“

von Redaktion

Die Forschungsinstitute Ifo, RWI und IWH sehen die deutsche Wirtschaft auf der Stelle treten. Exporte, Investitionen und Exporte kommen nicht in Schwung.

Es läuft nicht mehr rund in der deutschen Wirtschaft. © Berg, dpa

München – Drei führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognosen am Donnerstag deutlich gesenkt. Das Münchner Ifo-Institut und das IWH in Halle rechnen für dieses Jahr jetzt mit null Wirtschaftswachstum, das RWI in Essen mit 0,1 Prozent. Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser sagt: „Die deutsche Wirtschaft steckt fest“, während „andere Länder den Aufwind spüren“. Das liege nicht nur an der Konjunktur: „Wir haben eine strukturelle Krise.“

Mit ihrer Prognose sind die Institute in München und Halle noch etwas optimistischer als ihre Kollegen in Kiel. Das dortige Institut für Weltwirtschaft (IfW) hatte am Mittwoch seine Prognose für ein Wachstum von 0,2 Prozent auf ein Minus von 0,1 Prozent nach unten korrigiert. Alle drei Institute schraubten auch die Aussichten für das kommende Jahr spürbar nach unten, das IfW von 1,1 Prozent Wachstum auf 0,5 Prozent, das Ifo von 1,5 Prozent auf 0,9 Prozent und das IWH von 1,5 Prozent auf 1,0 Prozent.

Die Auftragspolster in der Industrie und auf dem Bau seien abgeschmolzen, beide Branchen schrumpften, es herrsche weithin Auftragsmangel. Vor allem in der Industrie werde zu wenig investiert, die Produktivität trete schon seit Jahren auf der Stelle, so Wollmershäuser. Obwohl die Weltwirtschaft wächst, schwächelt der Export: „Die deutschen Unternehmen verlieren dadurch Weltmarktanteile“, sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt.

„Das Geschäftsklima ist derzeit viel trüber als in früheren Phasen, in denen das Bruttoinlandsprodukt stagnierte“, erklärte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. „Das zurzeit außergewöhnlich tiefe Stimmungsniveau dürfte vor allem Folge der großen Verunsicherung in den Unternehmen sein, die mit einer Vielzahl transformativer Herausforderungen und hartnäckiger globaler Krisen konfrontiert sind.“ Die schlechte Stimmung verhindert Investitionen.

■ Schwieriger Standort

Ifo-Experte Wollmershäuser zählte folgende Gründe für die Krise auf: Die Anstrengungen für die Abkehr von fossilen Brennstoffen und die Digitalisierung, den demografischen Wandel, die Corona-Pandemie, die Energiepreiskrise wegen des Ukraine-Kriegs und „eine veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft“. All dies setze „etablierte Geschäftsmodelle“ unter Anpassungsdruck. Besonders schwierig habe es in diesem Kontext die Industrie, die in Deutschland einen deutlich höheren Anteil an der Wirtschaftsleistung habe als anderswo. Aber auch hausgemachte Hürden wie im internationalen Vergleich hohe Unternehmenssteuern und sehr hohe Bürokratielasten seien ein Problem. „Die Unternehmen brauchen bessere Standortbedingungen, damit sie wieder investieren und Beschäftigte einstellen“, sagt Wollmershäuser. Punktuelle Subventionen seien da kaum hilfreich.

Zu den grundlegenden Problemen kommt noch eine konjunkturelle Krise dazu. Die Löhne steigen, und die Inflation geht deutlich zurück. Aber „die Kaufkraftgewinne führen nicht zu steigendem Konsum, sondern zu höherer Ersparnis, weil die Leute verunsichert sind“, sagt Wollmershäuser. Nach 5,9 Prozent Inflation im vergangenen Jahr erwarten die drei Institute dieses Jahr eine Inflationsrate von 2,2 oder 2,3 Prozent, nächstes Jahr zwischen 2,0 und 2,4 Prozent.

■ Arbeitsmarkt robust

Die Arbeitslosenquote dürfte nach ihren Prognosen von 5,7 Prozent auf 6,0 Prozent im laufenden Jahr steigen. Für nächstes Jahr erwartet das IWH einen weiteren leichten Anstieg, Ifo und RWI einen leichten Rückgang.

Das Wirtschaftswachstum dürfte nach Einschätzung der drei Institute nächstes Jahr zwischen 0,9 und 1,0 Prozent betragen. Aber bei den mittelfristigen Prognosen „liegen wir seit einigen Jahren systematisch falsch“, sagt Wollmershäuser.

■ Lichtblicke

Als „Hoffnungsschimmer“ wertet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, dass der Auftragseingang der deutschen Industrie im Juli gegenüber Juni um 2,9 Prozent gestiegen ist und im Drei-Monats-Vergleich um 1,7 Prozent. Allerdings ist der Anstieg im Juli nur auf Großaufträge zurückzuführen – ohne sie wäre der Auftragseingang wieder geschrumpft. Im Mittelstand hat sich das Geschäftsklima nach Angaben der Förderbank KfW im August zum vierten Mal in Folge verschlechtert. Die aktuelle Lage werde so schlecht eingeschätzt wie seit vier Jahren nicht mehr. Es gebe nur wenige Lichtblicke, darunter beim mittelständischen Einzelhandel und bei Großunternehmen der Bauindustrie, die im Tiefbau oder Wirtschaftsbau tätig sind.

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