Bundesbank: Emissionshandel wirkt

von Redaktion

In der Stahlbranche sind die Emissionen besonders hoch: Hier: Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg. © Oliver Berg/dpa

Frankfurt – Europa verfolgt ehrgeizige Klimaziele. Die Regeln dazu verteuern das wirtschaftliche Handeln. Jetzt hat die Bundesbank erstmals genau untersucht, ob der Kern der EU-Strategie, der Emissionshandel, die Industrie aus Deutschland vertreibt. Die Experten fanden keinen Hinweis darauf. Die Unternehmen müssen andere Gründe dafür haben, Fabriken ins außereuropäische Ausland verlagern zu wollen. Eher investieren die Firmen, um weniger CO2 auszustoßen.

Die EU soll 2050 klimaneutral sein. Wer in der Staatengemeinschaft etwas produziert und dabei CO2 in die Luft bläst, muss ein Zertifikat besitzen, das ihm das erlaubt. Die Menge der Zertifikate ist begrenzt und sinkt jedes Jahr. Die Papiere werden per Auktion vergeben und dann an Börsen gehandelt, etwa in Leipzig. Zertifikate kosteten zuletzt um die 70 Euro pro Tonne. Etwas zu produzieren, ist deshalb in der EU im Prinzip teurer als außerhalb, wo es vielfach keinen solchen Emissionshandel gibt. Das System gibt es seit 2005, mehrfach wurde es verschärft. Dem Handel unterliegen derzeit rund 9000 Unternehmen in Europa, darunter Chemie- und Stahlkonzerne, Raffinerien, Zementwerke. Sie stehen für etwa 40 Prozent aller Treibhausgasemissionen. Auch der innereuropäische Luftverkehr und die Schifffahrt sind dabei. Verkehr und Wohnen soll ebenfalls eingebunden werden.

Die Bundesbank-Experten schauten sich jetzt an, wie viel deutsche Konzerne aus dem verarbeitenden Gewerbe zwischen 2005 und 2022 außerhalb der EU in Produktion investierten. Die Autoren der Studie verknüpften die Zahlen mit Daten zum CO2-Ausstoß der Konzerne weltweit. Das Ergebnis: Es gibt keine Hinweise, dass der Emissionshandel deutsche Unternehmen maßgeblich dazu bringt, außerhalb der EU zu produzieren und Fabriken in Deutschland zu schließen. Das gilt gleichermaßen für Unternehmen, die überdurchschnittlich viel CO2 ausstoßen, wie für Firmen, die eher wenig erzeugen. Wenn eine Firma abwanderte, muss es demnach andere Gründe gegeben haben.

Die Experten stellten eher fest, dass die Unternehmen in grüne Technologie investierten und ihren CO2-Ausstoß senkten. Offenbar rechnete sich das mehr, als teure Zertifikate zu kaufen oder gar die Produktion zu verlegen. Demnach wird nicht nur in Deutschland, sondern in allen europäischen Ländern mehr Geld in grüne Technologien gesteckt als außerhalb der EU. Ein Beweis, dass der Emissionshandel wirkt.

Die Studie endet allerdings 2022. Da hatte die letzte Reform des Emissionshandels gerade erst gegriffen, die Preise für Zertifikate waren von um die 25 Euro auf etwa 80 Euro gestiegen, in der Spitze sogar mehr als 100 Euro. Möglicherweise spielt der Handel deshalb jetzt doch eine Rolle, wenn es um Standortverlagerung aus Deutschland geht. Darüber entscheidet kein Unternehmen kurzfristig, zu hoch sind die Ausgaben und die Folgekosten. Sollten die Zertifikatspreise dauerhaft hoch bleiben, rechnen die Autoren der Bundesbank-Studie damit, dass es für große Konzerne doch interessant sein kann, Fertigung, die besonders viel CO2 ausstößt, aus Europa abzuziehen.

Ein Problem sind auch Produkte wie Stahl, die in Ländern ohne Emissionshandel hergestellt und dann eingeführt werden. Er ist möglicherweise billiger als vergleichbarer Stahl aus Europa. Deshalb greift bald eine Art Importsteuer, die den außereuropäischen Stahl aus Ländern ohne Klimaprogramm verteuert und so den CO2-Ausstoß dort einpreisen soll. Die Regel gilt auch für andere Produkte. Allerdings bekommen europäische Firmen beim Export keinen Klimabonus, der ihre Produkte außerhalb der EU verbilligen könnte.

Die Autoren der Bundesbank-Studie jedenfalls mahnen an, die Klimapolitik international zu koordinieren. In der aktuellen geopolitischen Lage mit den großen Blöcken Russland, China und USA/Europa dürfte das schwierig sein. Zudem haben nur wenige Länder einen Emissionshandel. Europa ist hier führend, ein Vorbild. Der Handel gilt in den 27 Staaten der EU sowie Island, Liechtenstein und Norwegen. Die Schweiz hat ein eigenes System, ist aber angebunden.

Die Autoren empfehlen deutschen und EU-Politikern, Innovationen in grüne Technologien zu erleichtern und „internationalen wie nationalen Investoren auf diese Weise Investitionsanreize zu bieten“. So könnten teure Subventionen vermieden und stattdessen privates Kapital mobilisiert werden. Wichtig dabei: Ein klarer Rahmen und Planungssicherheit, damit die Unternehmen kalkulieren können, ob, wie und wo es sich lohnt zu investieren.

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