„Wir können Leistung verdreifachen“

von Redaktion

Biogasverband will Kohlekraftwerke ersetzen – Knackpunkt Vergütung

Biogasanlagen könnten Strom zielgenau dann bereitstellen, wenn Wind und Sonne nicht liefern. Dafür bräuchte es laut Verband eine neue Vergütungsstruktur. © Bodo Schackow/dpa

Durch die Reformen der Ampel-Regierung hat der Zubau von Wind- und Solaranlagen deutlich zugenommen. Flexible Kraftwerke, die in Phasen geringer Erzeugung einspringen, werden heute aber vor allem mit Gas und Kohle betrieben. Die Biogasbranche sieht hier ihre neue Existenzberechtigung: Die Betreiber wollen Energie günstiger liefern als Wasserstoffkraftwerke und ausdauernder als Batteriespeicher. Unter der aktuellen Regulatorik fürchtet die Branche allerdings noch um ihre Geschäftsgrundlage. Claudius da Costa Gomez, Hauptgeschäftsführer des Fachverbands Biogas im Interview.

In den vergangenen Wochen hat die Biogas-Branche oft kritisiert, dass sie von der Bundesregierung nicht ausreichend bedacht wird. Was macht Ihnen Sorgen?

Seit einigen Jahren heißt es aus der Politik, dass Biomasse zu knapp und teuer ist, um sie energetisch zu nutzen, und lieber stofflich in der Chemieindustrie genutzt werden sollte. Da geht es auch um die Diskussion, wie wir Ackerflächen nutzen wollen. Deshalb sind die aktuellen Ausschreibungsvolumina für die Erneuerbare-Energien-Förderungen zu niedrig, um den aktuellen Bestand an Biogasanlagen zu erhalten. Wir glauben aber, dass wir einen wertvollen Beitrag an gesicherter elektrischer Leistung bieten können, den wir für die Energiewende dringend brauchen, und das günstiger als Wasserstoff. Das Problem ist: Die Ministerien Landwirtschaft, Wirtschaft und Umweltbundesamt sind grün geprägt, die wollen die Biomasse nicht im Energiesektor.

Ackerflächen sind tatsächlich ein knappes Gut. Was spricht für die Branche dagegen, ihr Biogas als Werksstoff zu verkaufen?

Dass es die Nachfrage noch nicht wirklich gibt. Und wenn wir in 20 Jahren ausreichend günstigen Wasserstoff haben, spricht ja nichts dagegen, Biomasse stofflich zu nutzen. Heute fehlt den Biogasanlagen – die ja schon dastehen – ohne die Stromerzeugung aber das Geschäftsmodell und dem Strommarkt fehlt die gesicherte Leistung. Die bisherige Ablehnung ist für uns vollkommen unverständlich, vor allem weil die künftigen Wasserstoffkraftwerke anfangs mit Fracking-Gas betrieben werden sollen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat kürzlich eine Kehrtwende angekündigt. Was erwarten Sie sich davon?

Der Minister hat keine Kehrtwende angekündigt, sondern erstmals gesagt, dass ein Paket für die Biogasanlagen geschnürt werden soll, mit dem die Bestandsanlagen in bestimmten Konstellationen in der Strategie berücksichtigt werden sollen. Wir erwarten in den nächsten Wochen einen entsprechenden Aufschlag aus dem Wirtschaftsministerium. Allerdings gehen wir nicht davon aus, dass dieser die Voraussetzungen erfüllt, damit Biogasanlagen ihre energiewirtschaftliche Aufgabe erfüllen können.

Biomasse liefert heute mit neun Gigawatt installierter Leistung rund zehn Prozent des deutschen Strombedarfs. Oft laufen die Anlagen aber relativ gleichmäßig, also auch, wenn Wind und Sonne den Bedarf decken. Das verursacht der Gesellschaft Kosten. Können die Anlagen flexibler werden, um kostensenkend zu wirken?

Wir haben drei Gigawatt (GW) elektrischer Leistung mit fester Biomasse am Netz und sechs GW mit Biogas. Erstere sind nicht ganz so flexibel, liefern aber zum Beispiel auch Strom- und Hochtemperaturwärme für die Industrie, die ja einen gleichmäßigen Bedarf hat. Bei den Biogasanlagen könnten wir bei gleichem Energieeinsatz die Leistung bis 2030 verdoppeln und danach vielleicht sogar auf 24 GW steigern. Die Anlagen sind dann vier mal so flexibel wie heute und speisen nicht mehr ein, wenn wir genügend Strom durch Windkraft und Solarenergie haben.

Mit zusätzlicher Biomasse?

Ohne. Wir würden dann nur größere Gasspeicher und Blockheizkraftwerke einbauen, die die heute vorhandene Biomasse an weniger Stunden im Jahr verstromen. Wir wollen ja auch nicht, dass die Biogasanlagen laufen, wenn die Sonne scheint. Es ist unsere Existenzberechtigung, sichere Erzeugung zu gewährleisten, wenn Wind und Sonne es nicht können. Einige Anlagen arbeiten ja heute schon nach einem netzdienlichen Fahrplan. Damit sie aber wirklich flexibel auf den Markt eingehen können, müsste der Flexibilitätszuschlag, den es heute zusätzlich zur Einspeiseförderung gibt, von 65 auf 120 Euro pro Megawattstunde angehoben werden. Technisch ist das kein Problem und könnte schnell umgesetzt werden.

Biogas wird heute oft in der Kraft-Wärme-Kopplung genutzt, speist also Abwärme aus der Stromerzeugung in ein Wärmenetz ein. Steht das im Widerspruch zu mehr Flexibilität in der Stromerzeugung?

Nein. Wenn der Wärmebedarf besonders hoch ist, steigt auch der Strombedarf, weil viele Wärmepumpen laufen. Angenommen wir haben dann im Januar mal zwei Wochen Dunkelflaute, können die Biogasanlagen das leisten, wo Batterien an ihre Grenzen stoßen. Dafür kann man die Biogasproduktion saisonal steuern.

Die Bundesregierung will bis 2028 einen technologieoffenen Kapazitätsmarkt einführen, wo gesicherte Leistung bezahlt wird. Sehen Sie sich da?

Natürlich. Wir werden am Ende einen Mix aus Wasserstoff, Batteriespeichern und Biogasanlagen brauchen. Und wir können Energie länger speichern, als Batteriespeicher und sind mindestens um den Faktor zwei günstiger als Wasserstoff. Das würde auch die Strompreise senken: Der ja durch den Merit-Order-Effekt bestimmt wird. Wie genau dieser Markt aussehen wird, steht aber noch nicht fest. Und wahrscheinlich werden wir für die Kraft-Wärme-Kopplung einen zusätzlichen Mechanismus brauchen. Interview: M. Schneider

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