Ob Energieversorgung, Klimawandel oder Pandemien – in unserer Welt kann Wissenschaft der Politik Grundlagen und Argumente liefern, um zu sachgerechten Entscheidungen zu kommen.
Politik und Ministerialverwaltung haben in den vergangenen Jahren jedoch immer öfter Kommissionen gezielt initiiert und personell so besetzt, dass sie eine gewünschte Beratungsleistung hervorbringen. Man hört nur, was man hören will. So hat zum Beispiel die „Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung“ nach dem Unglück in Fukushima 2011 den (damals bereits politisch beschlossenen) Ausstieg Deutschlands aus der Kern- energie gesellschaftlich zu legitimieren geholfen.
Verschiedene neue Beratungsgremien und Expertenräte wurden während der Corona-Krise von der Politik eingesetzt. In vielen Fällen ist bis heute intransparent, nach welchen Kriterien die Experten von wem ausgewählt wurden, wie (wenn überhaupt) eine Pluralität an Positionen integriert wurde und wie die herausgegebenen Ratschläge zustande gekommen sind. So kam es zu einer Vorfestlegung der Ergebnisse, zu Auftragsstudien und einer von vorneherein eingeschränkten Perspektive. Die Stärken der Wissenschaft konnten auf diese Weise für die Politik gar nicht nutzbar gemacht werden.
Selbst für ein so einfaches Thema wie die Schutzwirkung von FFP2-Masken im Alltag wurde – trotz gegenteiliger Behauptungen – während der Corona-Krise keine wissenschaftliche Evidenz erbracht. Die Analysen und Politikempfehlungen spiegeln die ihnen zugrunde liegende normative beziehungsweise moralisierende Auffassung wider – ihre Genese steht aber in eklatantem Widerspruch zu den Prinzipien guter Politikberatung: Wissenschaft spielt dabei noch eine Rolle, jedoch bloß als Simulation. Indem sich Wissenschaft instrumentalisieren lässt für diese Simulation von Politikberatung und bereitwillig Ideologien unterfüttert, gibt sie ihre Freiheit auf. Ist es Zufall, wenn das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft schwindet?
Zunehmend beliebt bei Politikern ist es, sich von Studien der ihnen untergeordneten Verwaltungen argumentativ unterstützen zu lassen: So stellt der im März 2024 vorgelegte Projektionsbericht des Umweltbundesamtes (UBA), das dem Bundesumweltministerium untersteht, fest, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 bei voller Wirtschaftskraft erreichen kann. Diese Aussage beruht allerdings auf einer affirmativ-programmatischen Aussage, einem Zirkelschluss und der gezielten Ausblendung des Gesamtzusammenhangs: Die Klimaziele 2030 werden dann erreicht, wenn die Erneuerbaren Energie-Ausbauziele bis 2030 auch erreicht werden und die Bundesregierung alles dafür tut, diese Ziele zu erreichen. Deindustrialisierung und Arbeitsplatzabbau in Deutschland entlarven diese Studie als politische Märchenerzählung.
Ein weiteres Beispiel aus der Corona-Zeit: Das Bundesgesundheitsministerium hatte, so legen es die vor Kurzem veröffentlichten Protokolle des RKI-Krisenstabs nahe, politischen Einfluss auf die „wissenschaftliche“ Einschätzung des Robert-Koch-Instituts genommen. So wurde seitens der Politik mit Verweis auf „die Wissenschaft“ die Corona-Risikobewertung Anfang 2022 weiterhin als „sehr hoch“ eingestuft – was vielen in Politik, Medien und Wissenschaft die Gelegenheit gab, Impfskeptiker als unsolidarisch zu diffamieren. Die fachliche Einschätzung des Robert-Koch-Instituts war jedoch eine andere gewesen.
So wird wissenschaftsbasierte Politikberatung auf den Kopf gestellt. Politik nimmt Wissenschaft nicht in ihrer Pluralität wahr, sondern selektiv – so wie es gerade ins eigene Bild passt. Das nützt aber weder der Politik, die sich die Möglichkeiten guter Politikberatung vergibt und guten Rat verbaut, noch der Wissenschaft, die sich instrumentalisieren lässt und Vertrauen verspielt.