INTERVIEW

„Das Programmieren lässt sich ersetzen“

von Redaktion

Arbeitsmarkt-Expertin Katharina Grienberger über die Bedrohung durch KI

Expertentätigkeiten sind besonders von Künstlicher Intelligenz (KI) bedroht. Die Berufe werden sich dadurch in Zukunft verändern. © Imago (Symbolbild)

München – Drohen durch Künstliche Intelligenz (KI) massive Arbeitsplatzverluste? Katharina Grienberger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg gibt Antworten.

Künstliche Intelligenz spielt in Unternehmen eine immer wichtigere Rolle. Welche Folgen hat das für die Beschäftigten?

Bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich einmal kurz erklären, was meine Forschergruppe am IAB in Nürnberg überhaupt macht: Wir berechnen nämlich das Substituierbarkeitspotenzial von Berufen angesichts der Digitalisierung.

Das klingt sehr kompliziert.

„Substituieren“ bedeutet ganz einfach „ersetzen“. Das Substituierbarkeitspotenzial misst, wie hoch das Potenzial ist, dass ein Beruf beziehungsweise eine berufliche Tätigkeit durch den Einsatz von Computern, Robotern oder eben einer Künstlichen Intelligenz ersetzt werden könnte.

Wie lange reichen Ihre Daten zurück?

2013 haben wir mit der Forschung angefangen, im Jahr 2022 ist dann erstmals die generative Künstliche Intelligenz – gemeint ist das KI-basierte Generieren von Texten, Bildern und Musik – in unsere Berechnungen miteingeflossen. Wir machen also keine Glaskugelbeschau und spekulieren, was in der Zukunft sein könnte, sondern wir schauen uns die Gegenwart ganz genau an. Wir wollen wissen, wie computergesteuerte Maschinen Berufe vollumfänglich und vollautomatisch ersetzen könnten.

Wie lässt sich das überhaupt herausfinden?

Wir verwenden sehr umfangreiche Daten der Bundesagentur für Arbeit. Diese enthalten Informationen zu nahezu allen in Deutschland bekannten Berufen – das sind circa 4600 Berufe, denen circa 9000 Tätigkeiten zugeordnet sind. Wir schauen uns diese 9000 Tätigkeiten in einem speziellen Verfahren ganz genau an und überprüfen, ob bereits ein Roboter, ein Computer oder eben eine Künstliche Intelligenz existiert, die diese Tätigkeit ersetzen könnte.

Was haben Sie herausgefunden?

Neu ist zum Beispiel, dass sich durch den Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz die Tätigkeit des Programmierens theoretisch ersetzen ließe. Denn viele Programme kann heute auch eine Künstliche Intelligenz schreiben. Wir sind also in der Lage, uns die Auswirkungen auf verschiedene Berufe anzuschauen.

Gibt es einen Trend?

Ja, es hat sich etwas Grundsätzliches verändert: Wegen der Künstlichen Intelligenz sind es jetzt die sogenannten Experten-Berufe, die die Digitalisierung verstärkt zu spüren bekommen. Also Berufe, die eine höhere Qualifikation erfordern. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall.

Welche Jobs haben in den letzten Jahren einen starken Zuwachs erfahren?

Das sind vor allem die IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufe, die in den vergangenen Jahren einen starken Zuwachs im Substituierbarkeitspotenzial erfahren haben.

Über Jahre hieß es: „Mach‘ was mit Informatik oder Programmieren, dann hast du einen sicheren Job bei hohem Gehalt.“ Gilt das noch?

Wenn ein Beruf jetzt hochsubstituierbar ist, heißt das nicht, dass der Beruf verschwinden wird. Es bedeutet vielmehr, dass sich der Beruf und die in diesem Beruf ausgeübten Tätigkeiten verändern werden. Es kommen neue Tätigkeiten hinzu und alte Tätigkeiten fallen weg. Zudem ist es möglich, dass gerade wegen der hohen Nachfrage nach KI-Anwendungen IT-Spezialisten besonders gefragt sind und die bestehenden Fachkräfteengpässe bei den IT-Fachkräften sich vielleicht sogar verschärfen. Auch in der Vergangenheit war es eher selten der Fall, dass ein Beruf wegen neuer Technologien komplett ausgestorben ist.

Haben Sie ein Beispiel?

Nehmen wir den Kfz-Mechaniker. Heute ist das der Kfz-Mechatroniker, weil sich der Beruf durch die neue Generation an Autos mit einem hohen Elektronik-Anteil stark verändert hat.

Da aktuell mehr Berufstätige in Rente gehen als jüngere nachkommen, klagen immer mehr Unternehmen über fehlende Fachkräfte. Kommt die KI zur richtigen Zeit, weil sie diejenigen ersetzen kann, die aus dem Berufsleben ausscheiden?

Wäre schön, wenn’s immer so einfach wäre. Wir gehen grundsätzlich aber nicht davon aus, dass durch KI massive Jobverluste in den kommenden Jahren eintreten werden. Wir stehen – wie gesagt – eher vor einem Wandel der Berufe. Durch den Einsatz von KI werden zwar einerseits Jobs wegfallen, an anderer Stelle aber neue Arbeitsplätze entstehen, von denen wir aktuell noch gar keine Ahnung haben.

Und wie sehen Sie Ihre eigene Zukunft? Könnte die wissenschaftliche Überprüfung von 9000 Tätigkeiten am IAB in Nürnberg nicht auch eine Künstliche Intelligenz übernehmen? Dann wäre Ihre Forschergruppe arbeitslos.

(lacht) Ja, wer weiß, vielleicht wird es eines Tages auch uns Arbeitsmarkt-Forscherinnen und -Forscher treffen. Interview: Sebastian Hölzle

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