An der Wall Street in New York hat man sich von dem großen Zinsschritt zunächst nicht wirklich beeindrucken lassen. In Deutschland stiegen die Kurse dagegen. Sinkende Zinsen sind normalerweise gut für den Aktienmarkt. © JUSTIN LANE, epa
New York/Frankfurt – Die US-Notenbank Fed hat am Mittwoch Abend das erste Mal seit Ausbruch der Coronapandemie den Leitzins verringert und steuert auf weitere Zinssenkungen in diesem Jahr dazu. Genau darauf hatten Großanleger seit Monaten spekuliert– und in der Vorfreude die Kurse mächtig nach oben getrieben. Der amerikanische S&P 500 hat seit dem Aufkommen der Zinsspekulation im letzten Herbst um fast 30 Prozent zugelegt, beim Technologieindex Nasdaq waren es rund 40 Prozent, beim deutschen Dax immerhin mehr als 20 Prozent. Doch weshalb sinken in den USA jetzt die Zinsen? Und wie geht es weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum hat die Fed die Zinsen so stark gesenkt?
Die Währungshüter haben die US-Leitzinsen um 0,5 Prozent auf 4,75 bis 5,00 Prozent gesenkt und damit gleich zwei Zinsstufen genommen – üblich sind Senkungen von 0,25 Prozent. Die DZ Bank sprach deshalb von einer „Jumbo-Zinssenkung“, die BayernLB von einem „Paukenschlag“. Warum die Zinserhöhung so hoch ausgefallen ist, begründete Fed-Chef Jerome Powell so: Die US-Wirtschaft wachse mit einem „soliden“ Tempo „und wir wollen, dass das so bleibt.“ Die Fed sorge sich mehr um die Konjunktur und halte den Kampf gegen die Inflation offenbar für gewonnen, interpretierte Bernd Weidensteiner von der Commerzbank die Aussage Powells. Zuletzt lag die US-Inflation bei 2,5 Prozent, die Fed strebt zwei Prozent Teuerung an.
Wie reagieren die Börsen auf den Schritt?
In den USA blieben die unmittelbaren Reaktionen trotz großem Zinsschritt verhalten: Die US-Indizes schlossen am Mittwoch sogar leicht im Minus. Das kann aber daran liegen, dass Investoren gerne im Vorfeld von Zinsentscheiden spekulieren und dann Kasse machen, wenn ein Ereignis eintritt („buy on rumors, sell on news“). Am Donnerstag zog der deutsche Dax dafür kräftig an und schloss erstmals über 19 000 Punkten. Auch US-Aktien legten zu. Ebenfalls gefragt: Gold und Bitcoin. Der Preis des Edelmetalls stieg um mehr als ein Prozent, der Kursanstieg summiert sich damit in einem Jahr auf rund ein Drittel. Und die Kryptowährung legte um fünf Prozent auf 63 000 Dollar zu. Beide zahlen weder Zins noch Dividenden und profitieren, wenn Zinsen fallen.
Warum achten Investoren so stark auf US-Zinsen?
Aus zwei Gründen: Erstens schieben niedrigere Zinsen die Wirtschaft an. Unternehmen können mehr investieren und Verbraucher einfacher Kredite aufnehmen. Zweitens stehen Zinsprodukte wie Staats- und Unternehmensanleihen an den Finanzmärkten in Konkurrenz zu Aktien. Ihre Kupons orientieren sich an den Leitzinsen, vor allem an denen in den USA – die US-Notenbank ist die wichtigste der Welt. Senkt sie die Zinsen, wirkt sich das indirekt auf neue Zinsprodukte aus. Anleger setzen dann verstärkt auf Aktien, was deren Kurse treibt. Das gilt besonders für Wachstumstitel wie Technologieaktien, die besonders sensibel auf Zinsen reagieren.
Steigen die Aktienkurse jetzt weiter?
Das kann sein, muss aber nicht. Zur Erinnerung: US-Technologieaktien legten in Erwartung der Zinswende seit einem Jahr bereits um 40 Prozent zu, US-Aktien um 30 Prozent. In den Kursen dürfte ein Großteil der Zinssenkungen bereits „eingepreist“ sein, wie es im Börsenjargon heißt. Dennoch könnten weitere Zinssenkungen den Börsen in den kommenden Monaten Rückenwind verleihen – zumindest, wenn die Unternehmensgewinne nicht einbrechen und die Wirtschaft nicht abschmiert. Auch das müssen Anleger im Blick behalten. Umgekehrt ist die Fallhöhe hoch, wenn keine weiteren Senkungen folgen. Man gehe davon aus, „dass die aktuellen Zinserwartungen letztlich enttäuscht werden“, heißt es etwa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Blackrock geht deshalb davon aus, dass die Schwankungen an den Börsen zunehmen dürften. Dafür könne die Wirtschaft positiv überraschen.
Werden weitere Zinssenkungen folgen?
Die US-Währungshüter selbst erwarten 2024 weitere Zinssenkungen um 0,5 Prozent und 2025 ein Minus von einem Prozent auf einen Leitzins von dann drei Prozent. Das wären sechs normale Zinsschritte von je 0,25 Prozent – sofern die Inflation niedrig bleibt und Senkungen zulässt. Einige Analysten sind da skeptisch. Die Commerzbank schreibt etwa: „Wir bleiben allerdings weniger optimistisch als die Fed, dass die Inflation im Griff bleibt.“ Es sei fraglich, ob die Fed die Zinsen wirklich so weit senke, wie sie es bisher vorhat.