Quantencomputer made in Germany

von Redaktion

Das Gründerteam Alexander Glätzle, Johannes Zeiner und Sebastian Blatt wollen den US-Tech-Riesen wie IBM und Google Konkurrenz machen. © Dirk Bruniecki

Garching – Alexander Glätzle ist pragmatisch. „Quantenphysik kann der menschliche Geist nicht verstehen, aber ihre Gesetze akzeptieren und etwas damit bauen“, sagt der Quantenphysiker. Der 40-jährige Mitgründer des erst zwei Jahre alten Start-ups Planqc aus Garching bei München ist gerade dabei, mit den nicht fassbaren Erkenntnissen etwas zu bauen – einen Quantencomputer made in Germany. An solchen vermeintlichen Wunderrechnern arbeiten US-Riesen wie IBM oder Google unter Verwendung aufwendig entwickelter Quantenchips seit vielen Jahren. Planqc geht einen anderen Weg. „Wir verwenden einzelne Atome, eingeschlossen in Kristallen aus Licht“, erklärt Technikchef Sebastian Blatt.

Der 43-jährige Mainzer ist ein weiterer von fünf Firmengründern. Mit den Lichtkristallen meint er Hochleistungslaser, die einzelne Atome in einem Vakuum stabil in einem Gitterraster halten und sie zu Informationsüberträgern machen. Das Modell eines Quantenrechners, den Planqc zur Einweihung der neuen Firmenzentrale in Garching im Beisein von Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder präsentiert, hat die Größe eines Wohnzimmerschranks. Herzstück ist eine gläserne Vakuumzelle klein wie ein Brillenetui. In ihr sind die Atome gefangen, mit deren Hilfe dieser Quantencomputer rechnet.

„Die Natur baut unsere Qubits“, sagt Glätzle zu einem Vorteil der Planqc-Technologie. Während IBM, Google & Co Qubits künstlich in Chipform bauen, verwendet Planqc natürliche Atome und braucht keine teuere Chipfabrik. Qubit ist die Abkürzung für Quantenbit, also das Äquivalent eines Bits aus der Welt klassischer Computer. Ein Atom entspricht bei Planqc einem Qubit.

In Relation zu Bits kann es ein Vielfaches an Information transportieren. Bits arbeiten mit binärem Code aus Nullen und Einsen. Qubits dagegen können zu jedem beliebigen Prozentsatz sowohl den Zustand Eins als auch Null annehmen, erklärt eine Planqc-Expertin im Kellerlabor der neuen Firmenzentrale. Damit sind dann auch die vom Planqc-Chef erwähnten Grenzen des menschlichen Verstands erreicht.

Welche Quantensprünge Quantencomputer erlauben, ist dagegen leicht verständlich. „Um die Rechenleistung eines klassischen Computers zu verdoppeln, braucht man die doppelte Anzahl an Bits, bei Quantencomputern sorgt dafür jedes weitere Qubit“, erklärt Glätzle.

„Wir werden Rechenoperationen machen können, die wir noch nie gemacht haben“, zeigt sich auch Söder beeindruckt. Er verspricht parallel zu Bundesmitteln auch eine anhaltende Förderung des Freistaats, um Planqc zu einem Weltmarktführer des Quantencomputing zu machen. In Europa sieht Planqc sich bereits als Nummer eins. Konkurrenz auf Augenhöhe kennen die Gründer nur in den USA.

Quantencomputer werden einmal die größten Probleme der Menschheit lösen – von individualisierten Medikamenten über Materialforschung bis hin zu Klimamodellen, glauben die Gründer. Ganze Industrien könnten die Wunderrechner revolutionieren. Bis sie in Serie gehen, dürfte noch rund ein Jahrzehnt vergehen. Glätzle spricht von einer Apollo-Mission. „Das Schwierige ist, einzelne Atome sicher in einem Vakuum zu kontrollieren“, sagt er zum größten Problem. Damit hat das Start-up aber mindestens eines weniger als die Quantenchips von IBM, Google & Co, die bis nahe des absoluten Nullpunkts bei minus 273 Grad Celsius heruntergekühlt werden müssen. Planqc arbeitet bei Raumtemperatur.

1200 Atome, sprich Qubits, in einem System stabil zu halten, hat das Start-up bereits geschafft. „Ein Quantencomputer ist das noch nicht, aber sozusagen unser Quantenchip mit 1200 Qubit“, ordnet Glätzle ein. Schon 2026 soll das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) einen ersten 100 Qubit-Rechner erhalten.

Zwei Jahre später soll ein weiterer mit 1000 Qubit Rechenleistung an das Leibniz-Rechenzentrum gehen. Auf spezielle Bedarfe zugeschnittene Prototypen seien das, sagt Glätzle. Parallel arbeite Planqc an einem dritten Quantencomputer, der im eigenen Haus stehen wird, um dessen Rechenzeit an industrielle Kunden zu verkaufen. So hofft man Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Technik zu erzeugen und einen Markt zu schaffen.

Rasant soll die Entwicklung weitergehen. „In spätestens drei bis fünf Jahren gibt es Quantencomputer, mit denen klassische Computer nicht mehr mithalten können“, schätzt Glätzle. Die von Planqc sollen dabei international ganz vorne mitspielen. So große Durchbrüche wie die eigene Quantentechnik habe zuletzt keine andere erzielt, versichern die Garchinger Gründer.

Dem heimischen Standort will Planqc treu bleiben. Das ist alles andere als selbstverständlich. „Wir haben hier einen idealen Nährboden“, versichert Glätzle dennoch. Bei Lasern und Optik als wichtigen Zulieferindustrien sei Deutschland weltweit führend, bei der speziellen Grundlagenforschung sowieso. Und liquide Geldgeber habe man zuletzt auch gefunden.

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