Schenker soll verkauft werden. Die Gewerkschaft EVG fürchtet einen massiven Stellenabbau und stemmt sich dagegen. © IMAGO
München/Berlin – Wackelt quasi in letzter Minute der Verkauf des Logistikriesen DB Schenker an den dänischen Spediteur DSV? Im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG wird am heutigen Mittwoch, Punkt 12 Uhr, darüber abgestimmt – und die mächtige Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft EVG will den Deal noch kippen. EVG-Chef Martin Burkert spricht vom Verkauf von „Tafelsilber“ und erklärt: „Nach 153 Jahren soll DB Schenker vom Markt verschwinden. Damit gehen Wertschöpfung und Arbeitsplätze verloren.“ Er und die weiteren EVG-Vertreter im Aufsichtsrat werden mit Nein stimmen.
Den Verkauf von DB Schenker, der der klammen DB bis zu 14,8 Milliarden Euro einbringen soll, trifft auf erbitterten Widerstand der Arbeitnehmer. Verdi organisiert seit Wochen immer wieder Demos gegen den Verkauf, auch am Schenker-Standort in Neufahrn (Kreis Freising). Allerdings gibt es auch im Gewerkschaftslager Dissens: Verdi favorisiert den Verkauf an den Finanzinvestor CVC, der im Bieter-Wettstreit unterlegen war. Die EVG lehnt den Verkauf generell ab. Gewerkschaftsboss Burkert, der als ehemaliger Nürnberger SPD-Bundestagsabgeordneter enge Drähte zur Politik besitzt, wirft dem Vorstand der DB vor, eine sinnvolle Verzahnung mit DB Cargo versäumt zu haben. Für Schenker fahren täglich bis zu 45 000 Lkw, auf die Bahn setzt der Logistiker indes eher weniger.
Ob der Verkauf am Mittwoch noch gestoppt werden kann, ist aber fraglich. Der Widerstand komme zu kurzfristig, um das noch aufhalten zu können, heißt es. Die EVG hat nur acht Mitglieder im 20-köpfigen Aufsichtsrat, selbst mit dem einen GDL-Vertreter würde es nicht für ein Veto reichen. Die GDL kündigte zudem am Dienstag an, prinzipiell für den Verkauf zu sein. Schenker sei „nicht dem Kerngeschäft der Deutschen Bahn zuzurechnen“, hieß es zur Begründung. Allerdings: Es fehle die „für eine Entscheidungsfindung dringend notwendige Transparenz“. Ob die bis zur Abstimmung noch hergestellt werden kann? Das ist offen.
Falls es eng werden sollte, hätten die Befürworter noch einen Trumpf in der Hinterhand: Aufsichtsratschef Werner Gatzer, früher Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, hat im Falle eines Patts ein Doppel-Stimmrecht – und er ist für den Verkauf.
Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres fuhr Schenker einen operativen Gewinn (Ebit) von 520 Millionen Euro ein. Vor allem Schenker war es zu verdanken, dass die Bahn nach der Corona-Krise zeitweise schwarze Zahlen schrieb.
DIRK WALTER