BYD-Frachter in Bremerhaven: Der chinesische Hersteller bringt tausende Autos mit eigenen Schiffen in die EU. Die EU sagt, China flute den europäischen Markt mit Dumping-Autos. © Lars Penning/dpa
Brüssel – Die EU kann trotz Widerstands aus Deutschland Zusatzzölle auf Elektroautos aus China erheben. Es hat sich keine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten gegen das Vorhaben ausgesprochen. Es gab aber auch kein klares Votum für die Zölle. Damit kann die EU-Kommission entscheiden, die Abgaben in Höhe von bis zu 35,3 Prozent einzuführen. Deutsche Autobauer reagierten besorgt. Die chinesische Regierung will trotz des Votums in Brüssel an Verhandlungen festhalten.
Die Europäische Kommission hatte die Zusatzzölle angekündigt, nachdem eine Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen war, dass Peking E-Autos mit Subventionen fördere, die den Markt in der EU verzerrten. Ob die Einfuhrzölle innerhalb des nächsten Monats in Kraft treten werden, liegt in der Hand der Kommission. Wird noch rechtzeitig eine Lösung mit China am Verhandlungstisch erreicht, können die Zölle gestoppt werden.
Deutschland konnte sich nicht mit seiner Position durchsetzen. Das bevölkerungsreichste EU-Land stimmte in Brüssel zwar gegen die Zölle. Um diese verhindern zu können, hätte sich aber eine Mehrheit der EU-Staaten gegen das Vorhaben aussprechen müssen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen stimmten am Ende zehn EU-Staaten für die Maßnahme, zwölf enthielten sich. Lediglich fünf sprachen sich demnach offen gegen die Einführung von Zöllen aus.
Besorgnis in der deutschen Wirtschaft
Auch die Bundesregierung war in dem EU-Zollstreit uneins, bis Kanzler Olaf Scholz (SPD) kurz vor der Abstimmung auf Ablehnung entschieden hatte. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge wollte Zölle als letzte Option nicht ausschließen. „Wir dürfen nicht einfach zuschauen, wie europäische Unternehmen durch Dumping-Produkte unter Druck gesetzt werden. Das Nein von Olaf Scholz ist wirtschaftspolitisch eine falsche Entscheidung“, sagte sie. Finanzminister Christian Lindner warnte nach der EU-Abstimmung vor einer Verschärfung der handelspolitischen Auseinandersetzung. Er betonte: „Wir brauchen eine Verhandlungslösung.“
In der Opposition gab es unterschiedliche Stimmen. „Keiner will einen Handelskrieg, aber wir dürfen gegenüber China nicht naiv sein“, sagte der CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber, der für die Zölle war. Dem deutschen Autobau drohe das gleiche Schicksal wie der Solarindustrie. „Wir wollen Handel mit China, aber dieser Handel muss fair sein. Europa muss jetzt Stärke zeigen, damit China sich bewegt und Dumping beendet.“ CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner fand das deutsche Nein hingegen grundsätzlich richtig, beschwerte sich aber über eine „unprofessionelle Schaufensterpolitik“. Die deutsche Entscheidung sei so spät gekommen, dass auf europäischer Ebene nicht mehr um Unterstützung geworden werden konnte.
Deutsche Autobauer pochen hingegen auf eine Verhandlungslösung. Der Chef von BMW, Oliver Zipse, warnte: „Die heutige Abstimmung ist ein fatales Signal für die europäische Automobilindustrie.“ Wirtschaftsverbände äußerten sich ähnlich. „Der Beschluss zu den Ausgleichszöllen im Markt für Elektroautos darf auf keinen Fall das Ende der Gespräche bedeuten“, so die Hauptgeschäftsführerin des Industrieverbands BDI, Tanja Gönner. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sagte, für die exportorientierte deutsche Wirtschaft blieben Extra-Zölle nicht ohne Folge. „Zwar könnte durch die Zölle auch die Produktion in der EU angeregt werden, doch drohen zunächst höhere Preise für die Verbraucher und ein gewisser Kaufkraftverlust.“
Auch China hat etwas zu verlieren
Auch China will an Verhandlungen festhalten. „China hofft, dass die EU erkennt, dass die Erhebung von Zöllen kein Problem löst, sondern nur das Vertrauen und die Entschlossenheit chinesischer Unternehmen erschüttern und behindern wird, in die EU zu investieren und mit ihr zu kooperieren“, teilte das Pekinger Handelsministerium mit. Beide Seiten hätten ihre Bereitschaft zur Lösung zum Ausdruck gebracht. Technische Teams würden die Gespräche am 7. Oktober fortsetzen.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, hält den Widerstand der Wirtschaft gegen die Zölle für falsch. Dieser ziele zu stark auf kurzfristige Gewinne ab. „Es wäre ein fataler Fehler, wenn es die EU ähnlich wie in der Solarbranche zuließe, dass chinesische Produkte die europäischen vom Markt verdrängen.“ Bei einer Eskalation des Handelskonflikts würde auch China verlieren, das stark auf Exporte in die EU angewiesen ist, wie Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaf betonte. „Abhängigkeiten bestehen auf beiden Seiten.“