MAN-Chef Alexander Vlaskamp hat am Dienstag die Auslieferung der ersten E-Trucks gestartet. Der erste elektrische 40-Tonner wurde an die bayerische Firma Dräxlmaier übergeben. © MAN
München – MAN liefert seinen ersten E-Truck an den bayerischen Autozulieferer Dräxlmaier aus. Bald soll ein Großteil der Lkw-Flotte elektrisch sein. MAN-Chef Alexander Vlaskamp sieht aber noch große Probleme bei den Rahmenbedingungen. Wir sprachen mit ihm und Felix Klimas, der bei Dräxlmaier das Lieferketten-Management leitet.
MAN, das Unternehmen, das einmal den Dieselmotor erfunden hat, liefert den ersten Lkw mit Elektroantrieb aus. Ein historischer Einschnitt?
Vlaskamp: Das ist ein historischer Meilenstein und ein Schritt in eine neue Ära. Wir wollen ja entsprechend dem Pariser Abkommen 2050 in Europa CO2-neutral sein. Wir wollen als Lkw-Hersteller 2030 nahezu 50 Prozent batterieelektrische Lkw in Europa ausliefern, 2040 sogar Richtung 90 Prozent. Das bedeutet, dass 2050 ein Großteil der Diesel-Lkw nicht mehr auf der Straße ist. Und es bringt für Europa eine CO2-Reduktion im Verkehr von acht Prozent. Wir sind derzeit sicher ein Teil des Problems, aber künftig auch ein Teil der Lösung.
Aber was sagen Ihre Kunden, die Spediteure dazu?
Vlaskamp: Ab 2027 gilt das Emissionshandelsgesetz, nach dem auch für die Speditionsbranche der CO2-Ausstoß bepreist wird. Um Kosten zu vermeiden, ist es wirtschaftlich sinnvoll, nachhaltige Lkw auf die Straße zu bringen. Wir haben auf der IAA Nutzfahrzeuge unseren batterieelektrischen 40-Tonner vorgestellt. Ein Fahrzeug, wie er jetzt auch von der Firma Dräxlmaier in Leipzig eingesetzt wird. Aber wir haben auch eine ganze Palette von Kommunalfahrzeugen sowie unseren neuen leichten elektrischen Verteiler-Lkw gezeigt. Dass alles ist in München entwickelte und produzierte Technologie. Und auch die Batteriepakete kommen aus Bayern. Sie werden in Nürnberg hergestellt.
Wie weit fährt denn der erste eingesetzte Lkw tatsächlich?
Klimas: Wir haben in Leipzig eine Batteriefertigung, in der wir für ein vollelektrisches SUV die Batterien fertigen. Diese fahren wir Just-in-Sequence und Just-in-Time in das Kundenwerk. Wir fahren da im Dreischichtbetrieb und haben drei Fahrzeuge im Einsatz.
Alle drei elektrisch?
Klimas: Ja. Und die Rundlauf-Distanz hin und zurück sind neun Kilometer.
Das ist nicht allzu weit. Gibt es Lademöglichkeiten an Start und Ziel?
Klimas: Wir haben den Standort so aufgerüstet, dass wir an der Laderampe mit Supercharger mit 150 kW laden können. Damit können wir den Transport sicherstellen.
Das ist jetzt ein Sonderfall mit vergleichsweise kurzen Strecken. Ein Problem ist wohl die Ladeinfrastruktur. Ist die in so wenigen Jahren so sicherzustellen, dass auch Fernverkehr auf batterieelektrischer Basis funktionieren kann?
Vlaskamp: Erst einmal zum konkreten Fall der Firma Dräxlmaier. Ja es ist ein Kurzlauf, aber in sehr hoher Frequenz. Und das sehen wir in vielen Transportbereichen. Aber wir sind auch zuversichtlich, dass der Hochlauf der Ladeinfrastruktur für den Lkw-Bereich vorangeht. Zunächst im privaten Bereich, bei den Unternehmen, wie jetzt bei der Firma Dräxlmaier. Da sehen unsere Beratungsteams für die Trucks ein sehr hohes Interesse. Wir haben aber im Juni auch angekündigt, dass wir gemeinsam mir Eon in 170 unserer Niederlassungen in acht Ländern in Europa eigene Ladesäulen aufbauen. Mit 400 oder sogar mit 750 kW. Die erste Station haben wir nach wenigen Wochen in Betrieb genommen.
Wie aber sieht es mit Lademöglichkeiten an den Fernstraßen aus?
Vlaskamp: Wir bauen mit Milence, einem Joint Venture unserer Muttergesellschaft Traton mit Daimler und Volvo, 1700 Ladepunkte an öffentlichen Routen. Fünf sind bereits in Betrieb. Bis 2025 werden es weitere 70 sein. Hier sehen wir den schnellen Hochlauf. Und auf dem Parkplatz der Allianz Arena planen wir zusammen mit dem FC Bayern einen Ladepark – ein Leuchtturmprojekt für öffentliches Laden. Wir begrüßen auch, dass das Verkehrsministerium von Volker Wissing nun Ladesäulen-Standorte ausgeschrieben hat. Allerdings müsste Wirtschaftsminister Robert Habeck parallel den Netzausbau für eine ausreichende Stromversorgung vorantreiben und die Ausbauvorhaben für die Nutzfahrzeuge priorisieren.
Noch vor wenigen Jahren wurde überlegt, Autobahnen mit Oberleitungen auszustatten. Nun zeigt sich wohl, dass die Batterietechnik ausreicht, um auch Schwerlastverkehr auf der Langstrecke zu ermöglichen. Wie lange dauert es, bis der Diesel Geschichte ist?
Vlaskamp: Wir denken nicht, dass der Diesel Geschichte sein wird. Wir sehen ja für unsere MAN-Motoren noch viele andere Anwendungen, zum Beispiel in Schleppern in der Landwirtschaft oder für Erntemaschinen. Auch im Lkw wird es in 20 oder 30 Jahren noch zehn bis 20 Prozent Dieselmotoren geben, etwa in Notdienstfahrzeugen oder bei Militär, Feuerwehr oder THW. Der Diesel kann ja in solchen Anwendungen auch mit nachhaltigen Kraftstoffen betrieben werden.
Gilt das nur für Europa?
Vlaskamp: In erster Linie, aber wir sehen auch weltweit hohen Bedarf. Ich war vor Kurzem in Singapur, wo etwa 25 Prozent der Busse von MAN sind. Für diese Busse, aber auch für Lkw, wird die Nachfrage nach Elektroantrieben immer größer. In Südafrika wird das auch nachgefragt. Dort sind die Kraftstoffpreise recht hoch. Und über Wind- und Solarenergie kann man günstig Strom produzieren. Länder mit diesem Potenzial werden den Sprung Richtung Elektro machen.
Bedeutet das, dass Sie auf mittlere Sicht überwiegend elektrische Fahrzeuge produzieren werden?
Vlaskamp: Das ist korrekt. Das sieht man auch an unserer Belegschaft. Viele Ingenieure haben ihre Jobs bei uns gewechselt: vom Motorenbauer oder Thermodynamiker hin zum elektrischen Antriebsstrang und auch zur Batterie.
In welchem Zeitraum wollen Sie die Produktion umstellen?
Vlaskamp: Unsere Produktion in München haben wir so aufgestellt, dass wir auf dem gleichen Band, auf dem wir den Diesel bauen, auch den Elektro-Truck produzieren können. Wir haben die Mitarbeiter am Band entsprechend angelernt. Jeder Dienstag ist jetzt schon Batterie-Truck-Tag, weil dann die ersten elektrischen Trucks vom Band laufen. Und wir können das je nach Nachfrage flexibel variieren. Wir haben schon mehr als 2500 Bestellungen und Bestellanfragen für die E-Trucks.
2500 elektrische Trucks?
Vlaskamp: Genau. In unserem Werk in Nürnberg können wir Batterien für 10 000 bis 15 000 Trucks bauen. Das ist abhängig von der Anzahl der Batterie-Pakete, die für unsere Lkw geordert werden. Im Durchschnitt werden es etwa fünf Batterie-Pakete sein. Bis zum Ende der Dekade bauen wir noch ein zweites Batterie-Werk, dann können wir bis zu 50 Prozent E-Trucks produzieren.
Was sagen denn die Transportunternehmen dazu?
Klimas: Wir haben ja ein globales Transportnetzwerk. In Europa bewegen wir uns stark in diese Richtung. Bei Dräxlmaier wollen wir unseren CO2-Ausstoß reduzieren. Wir sehen aber auch, dass international auch in Europa die Ladeinfrastruktur noch nicht imstande ist, dass Güter flächendeckend in sinnvollen Geschwindigkeiten über die Straße elektrisch transportiert werden können.
Welche Länder machen Probleme?
Klimas: Wir haben ein großes Produktionsnetzwerk in Osteuropa und Nordafrika. Um diese Länder mit vollelektrischen Lkw zu vernetzen, benötigt es zum Status quo eine wesentliche Verbesserung in der Ladeinfrastruktur.
Und in Deutschland?
Klimas: Wir schauen uns Anwendungsfall für Anwendungsfall an. Wenn es einen Fall gibt, wie jetzt am Standort Leipzig, werden wir es auch verfolgen.
Vlaskamp: Dass die Politik klare und verlässliche Rahmenbedingungen schafft, damit es gut funktioniert, würde ich nicht behaupten. Wir als Hersteller und vor allem auch unsere Kunden brauchen von der Bundesregierung Planbarkeit und Verlässlichkeit. Nur ein Beispiel: Einerseits wurde die Lkw-Maut für den Diesel verdoppelt. Gleichzeitig hat die Bundesregierung die Förderung für Elektro-Lkw am Beginn des Hochlaufs der E-Trucks wieder einkassiert. Das passt nicht zusammen. Was meinen Sie, was unsere Kunden dazu sagen? Ich würde mir wünschen, wenn zumindest die Hälfte der Zusatzeinnahmen aus der aktuellen Lkw-Mauterhöhung in den Ausbau der Infrastruktur und die Fahrzeugförderung fließen würde. Das würde helfen. Die Verdoppelung der Lkw-Maut zu Jahresbeginn hat unsere Kunden massiv verunsichert. Entsprechend sind die Aufträge für uns als Hersteller deutlich zurückgegangen. Nicht zuletzt deshalb haben wir seit Sommer Kurzarbeit.
Die Politik muss ihre Hausaufgaben machen?
Vlaskamp: Die Politik hat uns die Hausaufgabe gestellt, nachhaltige Produkte zu entwickeln und anzubieten. Wir sind sogar darüber hinausgegangen und bauen auch die Infrastruktur mit auf. Jetzt erwarten wir auch von der Politik Verlässlichkeit bei den Rahmenbedingungen. Damit unsere Kunden in die Elektromobilität investieren. Sonst wird der Fuhrpark immer älter. Wie wir es heute in Kuba sehen.
Interview: Martin Prem