Wirtschaft rügt Regelungswut

von Redaktion

Bayerns Schlösschen in Brüssel: Die vbw-Chefs Bertram Brossardt und Wolfram Hatz mit Europaminister Eric Beißwenger und den vier Hinterberger Musikanten. © cd

Brüssel – Blasmusik tönt durchs Brüsseler EU-Viertel, Gläserklirren, dazu der Duft von Leberkässemmeln. Sie sind das gewöhnt in Europas Hauptstadt, die Bayern feiern mal wieder. Diesmal doppelt: In dem kleinen Schlösschen mitten zwischen den EU-Büro-Klötzen feiert der Freistaat das 20-jährige Jubiläum dieser Brüsseler Vertretung. Und die vbw feiert ihre Wirtschaftsnacht, eine Art Netzwerktreffen zwischen EU-Politik und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.

Laune: gut, aber nicht ungetrübt. Mit der Immobilie, 1994 von Stoibers Europaminister Reinhold Bocklet entdeckt und erworben, sind die Bayern nach wie vor hochzufrieden. „Es gibt kaum einen Standort, der so nahe an den Schaltzentralen der europäischen Politik liegt“, sagt der heutige Minister Eric Beißwenger (CSU) in seiner Festrede. Allein die Lage sei ein Sinnbild für Bayerns Gestaltungsanspruch in Europa.

Mit der Politik hier gibt es allerdings Reibungspunkte. Hörbar genervt sagt vbw-Präsident Wolfram Hatz über die Regelungswut: „Die EU-Kommission muss endlich wegkommen von Bürokratie, Berichtspflichten und immer neuen Belastungen. Es kann so nicht weitergehen.“ Die Bayern haben für das vorletzte Jahr zusammentragen, dass 688 Rechtsakte gestrichen, aber 2429 neue erlassen wurden.

Die vbw hat ein Zehn-Punkte-Programm mit Forderungen aufgestellt, die sich vor allem an die neue Kommission richtet, die in Kürze ins Amt kommen soll.

Einer der zentralen Punkte: Europa muss seine Sicherheits- und Verteidigungsindustrie besser aufstellen und stützen, hin zu einer „europäischen Verteidigungsunion“. Das stellt auch CSU-Vize Manfred Weber heraus, als Partei- und Fraktionschef der EVP Bayerns wichtigster Brüsseler. „Nur 20 Prozent der Investitionen der europäischen Staaten landen in den Auftragsbüchern europäischer Unternehmen“, beklagt er, Milliarden fließen in die USA und nach Asien. „Wir müssen stärker eine europäische Verteidigungsmacht aufbauen“, fordert er.

Einig sind sich Weber und die Wirtschaft bei aller Kritik in ihrem klar proeuropäischen Kurs. Bayern als für sich genommen siebtgrößte Volkswirtschaft Europas erwirtschafte die Hälfte seines Umsatzes innerhalb des Binnenmarkts, also mehr als mit USA- und China-Geschäften zusammengenommen.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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