INTERVIEW

„Unter Trump droht eine Finanzkrise“

von Redaktion

Fondsmanager über US-Wahl, politische Börsen und den Dax bei 40 000 Punkten

Trump als Börsenschreck? Kann so kommen, meint der Münchner Fondsmanager Georg von Wallwitz. Seine Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz verwaltet drei Milliarden Euro und feiert Ende September 20-jähriges Jubiläum. © dpa/AP, Matt Rourke

München – Trump, Israel, die Ukraine: An den Börsen wird viel über Politik gesprochen, meist verbunden mit der Frage: Was wäre, wenn? Grund genug, beim Münchner Fondsmanager Georg von Wallwitz nachzufragen, was eigentlich wäre, wenn Donald Trump am 5. November erneut zum US-Präsidenten gewählt werden würde – und wie die brisante Weltlage mit den hohen Kursen zusammenpasst.

Herr Wallwitz, die Welt stolpert von Krise zu Krise und in den USA droht Anfang November ein erneuter Wahlsieg von Donald Trump, der die heikle geopolitische Lage wohl verschärfen würde. An der Börse bleibt die Panik bisher aus. Wieso?

An den Finanzmärkten wird zwar viel über Politik geredet, aber politische Börsen haben kurze Beine. Das heißt: Die Politik hat meist kaum Auswirkungen auf die Märkte. In Trumps erster Amtszeit hieß es: „Drill Baby, drill!“ Ölaktien sind damals trotzdem abgeschmiert. Und es gibt viele weitere Beispiele.

Erklärt das auch, warum der Dax bei fast 20 000 Punkten steht, obwohl es Deutschlands Wirtschaft schlecht geht?

Auf den ersten Blick ist das eine Diskrepanz. Aber der Dax wird von globalen Unternehmen dominiert, die viel stärker an der Weltwirtschaft hängen als am deutschen Heimatmarkt. Der richtige Maßstab für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft wäre deshalb der MDax mit viel stärker in Deutschland tätigen kleineren und mittleren Unternehmen. Und der ist in den vergangenen zwölf Monaten mehr oder weniger stagniert, während der Dax 25 Prozent zugelegt hat.

Muss man da besorgt sein?

Beim MDax bekommt man zumindest die volle Breitseite der deutschen Wirtschaftsschwäche. Die deutsche Wirtschaftsleistung liegt noch unter der Zeit vor der Corona-Krise und auch der MDax steht unter seinem damaligen Hoch. Statt auf Digitalisierung hat sich Deutschland auf Regulierung spezialisiert. Das Ergebnis: Wir fallen immer weiter zurück.

Und das spiegelt sich im MDax, aber nicht im Dax?

Wer genau hinsieht, kann die Probleme auch im Dax erkennen. Trotz der guten Gesamt- entwicklung gibt es dort eine riesige Diskrepanz bei den Einzeltiteln. Die Autowerte sind zum Beispiel so gut wie alle im Minus, teilweise zweistellig. Das hat vor allem damit zu tun, dass das China-Geschäft der Unternehmen einbricht.

Die deutschen Autobauer haben lange von freiem Handel und weltweiter Arbeitsteilung profitiert. Sollte Donald Trump wieder US-Präsident werden, dürfte die Globalisierung weiter zurückgedreht werden. Droht dann ein großer Handelskrieg?

Das glaube ich nicht. Trump ist viel unideologischer, als viele denken. Ihm geht es um sein Ego und darum, einen Deal zu machen, der ihn gut dastehen lässt. Ich mache mir deshalb weniger Gedanken um die Wirtschaft. Meine Sorge gilt eher der Demokratie und den politischen Institutionen. Damit verbunden kann ich mir aber gut vorstellen, dass er das schon jetzt gigantische Haushaltsdefizit der USA weiter aufbläht, was dann doch eine Finanzkrise auslösen könnte.

Trump als Börsenschreck?

Die Finanzmärkte und die Wirtschaft brauchen Planungssicherheit, Rechtssicherheit und unabhängige Institutionen wie Notenbanken. Trump hat das verbal alles schon infrage gestellt. Würden diese Dinge in Zweifel gezogen, wäre das ein Problem. Derzeit boomen die USA, deshalb geht man davon aus, dass die hohe Schuldenlast von 35 Billionen Dollar tragfähig ist. Das kann aber schnell kippen. Investoren würden dann einen Bogen um US-Anleihen machen. So eine Revolte auf den Anleihemärkten würde wiederum für Trump zum Problem.

Die Börsen als Regulativ, das Trump einbremst?

Erinnern Sie sich an Liz Truss?

Die britische Premierministerin, die nach nur 49 Tagen in Amt zurücktrat?

Sie wurde eher von den Finanzmärkten gefeuert. Truss hatte Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung vorgestellt und wollte das über Staatsschulden finanzieren. Daraufhin stürzte das Pfund ab, britische Staatsanleihen brachen ein, Versicherungen kamen in Schieflage. Ihr politisches Ende war absehbar: Die Boulevardzeitung „Daily Star“ hatte einen Livestream von einem Salatkopf mit Truss-Perücke und wettete, dass der Salat länger durchhält als Truss im Amt. Am Ende machte der Salat das Rennen.

Das könnte auch Trump drohen?

Ja, wenn er die Staatsschulden ungehemmt nach oben treibt und vielleicht sogar die Unabhängigkeit der Notenbank aushebelt und sie Dollar drucken lassen will – wie es die Reichsbank in der Weimarer Republik gemacht hat.

Schlechte Aussichten.

Das ist ein Extremszenario und es muss nicht so kommen. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Dinge normal weiterlaufen …

… und der Dax bald die 20 000 Punkte knackt?

Das passiert mit Sicherheit früher oder später. Doch solche Marken mögen psychologisch wichtig sein, am Ende sind sie aber irrelevant. Der Dax hat mal gute und mal schlechte Jahre, im Schnitt macht er aber etwa sieben Prozent Plus im Jahr, weil das dem Gewinn der Unternehmen auf ihr eingesetztes Kapital entspricht. 2014 hat der Dax die Marke von 10 000 Punkten geknackt, 2034 könnte er rechnerisch bei 40 000 Punkten stehen und sich im Vergleich zu heute erneut verdoppelt haben.

40 000 Punkte?

Das klingt verrückt, ist aber nicht mehr als simple Mathematik. Und wenn alles normal läuft, kräht 2034 auch kein Hahn mehr danach, wer 2024 die US-Wahl gewonnen hat. Interview: Andreas Höß

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