Indiens Premier Narendra Modi reicht Bundeskanzler Olaf Scholz die Hand. Trotz Meinungsunterschieden wollen beide künftig enger zusammenarbeiten. © MONEY SHARMA, afp
Neu-Delhi – Deutschland und Indien rücken ungeachtet unterschiedlicher Haltungen zu Russland noch enger zusammen. Bei den Regierungskonsultationen in Neu-Delhi wurden 27 Vereinbarungen zum Ausbau der Kooperation in Bereichen wie Erneuerbare Energien, Forschung und Verteidigung abgeschlossen. Bundeskanzler Olaf Scholz warb zudem um Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt und setzte sich für mehr Tempo in den EU-Verhandlungen mit Indien über ein Freihandelsabkommen ein. Der indische Ministerpräsident Narendra Modi fasste den Stand der Beziehungen beider Länder auf Deutsch kurz und knapp mit den Worten zusammen: „Alles klar, alles gut.“
Modi war erst am Donnerstag von einer Russland-Reise zurückgekehrt, wo er beim Brics-Gipfel in Kasan den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum wiederholten Mal herzlich umarmte. Solche Gesten gab es mit Scholz in Delhi zwar nicht, es war nur ein Handschlag. Dafür erhielt der Kanzler aber warme Worte. Scholz habe den Beziehungen „Schwung und neue Energie“ verliehen, sagte Modi. Die „Partnerschaft zwischen zwei großen Demokratien dieser Welt“ müsse weiter modernisiert und gestärkt werden.
Fachkräfte für Deutschland begeistern
Indien ist mit mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land und die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Scholz sagte, es gebe „jede Menge Potenzial“ beim Handel mit dem südasiatischen Land und für Investitionen. Bei der Anwerbung von Fachkräften gehe es darum, noch mehr Menschen aus Gesundheit, Pflege oder der IT-Branche „für Deutschland zu begeistern“. Das Bundeskabinett hat in der vergangenen Woche einen 30-Punkte-Plan verabschiedet, um den Zuzug zu erleichtern.
Selbst beim russischen Krieg gegen die Ukraine versuchen beide Seiten die Differenzen inzwischen als Chance zu begreifen. Deutschland steht fest an der Seite der Ukraine und rüstet sie in großem Stil mit Waffen aus. Indien verhält sich dagegen neutral, ist wirtschaftlich und militärisch eng mit Russland verflochten und hat den russischen Angriff auf die Ukraine in der UN-Vollversammlung anders als die große Mehrheit der Staaten nicht verurteilt. Die gleichermaßen guten Beziehungen zu Moskau und zum Westen könnten Indien jetzt aber zum Vermittler in den diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Krieges machen.
Handelsabkommen könnte jetzt schnell gehen
Wichtigstes wirtschaftspolitisches Thema in Neu-Delhi waren die Gespräche über das Freihandelsabkommen, die schon vor 17 Jahren begonnen wurden, bisher aber erfolglos blieben. Scholz forderte auf einer Wirtschaftskonferenz „rasche Fortschritte und einen schnellen Abschluss“ der Verhandlungen. „Wenn wir gemeinsam daran arbeiten, Herr Ministerpräsident, könnte das eher in Monaten als in Jahren klappen“, sagte er zu Modi.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte zu den Verhandlungen: „Lasst uns nun einen neuen Anfang machen.“ Er hatte bereits am Vortag die Idee ins Spiel gebracht, zunächst ein eingeschränktes Abkommen zu vereinbaren.
Die Verhandlungen waren 2013 eingefroren und 2022 wieder aufgenommen worden. Es hakt bei den hohen indischen Zöllen auf Autos, dem Schutz geistigen Eigentums in der Pharmabranche und bei der Marktöffnung im Agrarsektor, mit der vor allem Indien Probleme hat.
Indien wirbt um Investitionen im Land
Modi warb um ausländische Investitionen in seinem Land. Wachstumschancen gebe es etwa bei klimafreundlich erzeugtem Wasserstoff und Halbleitern. „Indien bietet eine exzellente Plattform für Investitionen in diesen Bereichen“, sagte Modi laut seiner Übersetzerin. Indien sei zudem bei Künstlicher Intelligenz stark. Es gebe unendliche Möglichkeiten für Start-ups und einen starken Ausbau der Infrastruktur. So werde das Eisenbahnnetz ausgeweitet und es würden neue Flughäfen gebaut.
Unter den unterzeichneten Abkommen ist auch ein sogenanntes Geheimschutzabkommen. Solche Abkommen bieten einen Rahmen zum Austausch vertraulicher Informationen zwischen Behörden und Unternehmen der beteiligten Länder.
DPA