BMW macht das Metallgießen wieder modern

von Redaktion

Alte Technik in Hightech-Variante: So entstehen bei BMW nahe Landshut ab sofort die Gehäuse für Elektromotoren der neuen Klasse. © BMW

München – Es gehört zu den ältesten technischen Errungenschaften der Geschichte. Bereits in der Bronzezeit erhitzten Menschen Metall, bis es schmolz, und gossen es in Formen. So entstanden Schmuckstücke, aber auch Waffen. Diese uralte Technik hat BMW im Komponentenwerk Landshut nun auf ein neues technologisches Niveau gehoben. Was dabei herauskommt, ist das Gehäuse für die Elektromotoren der neuen Klasse. Das muss sich in seiner Komplexität hinter weit teureren Werkstücken aus dem teuren und langsamen 3-D-Drucker nicht verstecken.

Nun ist der Standort im Industriegürtel zwischen Landshut und Ergolding abonniert auf technische Herausforderungen: „Einen Innovationshub“ nannte ihn BMW-Einkaufsvorstand Joachim Post, der gemeinsam mit Staatskanzleiminister Florian Herrmann die Produktion per Knopfdruck startete.

Herrmann sieht derart innovative Fabriken als beispielhaft für die wirtschaftliche Entwicklung Bayerns. Er sprach von „Kathedralen des Wohlstands“.

Eines fällt gleich auf, wenn man die Gießerei betritt: Es fehlt der typische Geruch. Ein Grund: Das Gießen findet im Vakuum statt. Da besteht kein Kontakt zur Außenluft. Ein zweiter: Die Gussformen aus Sand werden mit Wasserglas zu stabilem Sandstein gebunden. Die früher typische – und nicht gerade gesunde – rauchende und dampfende Ausdünstung organischer Bindemittel fällt damit weg.

Auch sonst erinnert wenig an die gute alte Gießerei, in der rotglühende Metallschmelze in eine Form gekippt wird: Roboter platzieren nun die Gussformen millimetergenau in einer Vorrichtung. Klaus Sammer, der Planungsleiter der Gießerei, nennt sie Karussell, weil sie sich für drei etwa gleich lange Arbeitsschritte jeweils um 120 Grad weiter dreht. In einem Karussell werden gleichzeitig drei Gehäuse gefertigt.

Auf die Einrichtung folgt – nicht sichtbar – der eigentliche Gussvorgang. Im nächsten Schritt wird das überschüssige Material abgetrennt. Ein ausgeklügeltes System sorgt dafür, dass das noch sehr heiße Metall genau an der Stelle abbricht, wo man sonst aufwendig den Trennschleifer ansetzen müsste. Am Ende öffnet sich eine Jalousie und das fertige – noch 400 Grad heiße Motorgehäuse – ist zu sehen.

Die Besonderheit beim Gießen erklärt Werksleiter Thomas Thym: Da wird nicht einfach von oben oder unter Druck heißes Metall durch eine Öffnung gekippt. Hitzebeständige Pipetten werden tief in die Gussform versenkt. Durch sie fließt das flüssige Metall – unterstütz durch ein Vakuum in der Form – direkt an die Stelle, wo es hinsoll.

„Es ist wie bei einem Weißbier“, sagt Thym. Beim Einfüllen wird zunächst die Flasche tief ins Glas gesenkt, damit möglichst wenig Schaum in das Glas fließt. Die Pipetten werden – wie die Flasche während des Eingießens – langsam nach oben gezogen. So werden Fehler im Guss weitgehend vermieden.

Ganz lassen sie sich nicht ausschließen. Aber die Ausschussquote liegt im kleinen einstelligen Prozentbereich, heißt es bei der anschließenden Qualitätskontrolle. Dabei schaut man heute weit genauer hin als früher. Ein Computertomograf durchleuchtet das Gussstück mit 2400 Aufnahmen in 42 Sekunden. Da sollte nichts verborgen bleiben.

Fehlerhafte Teile werden wieder eingeschmolzen. Aber nicht nur das Metall, auch der Sand der Gussformen kommt erneut zum Einsatz, nachdem er vollständig aus dem Motorgehäuse entfernt worden ist. Dazu wird das Gussteil in Schwingung versetzt, was die Form wieder zu Sand zerbröselt. Und auch beim zwangsläufig hohen Energieeinsatz wird umweltfreundlich gespart. Die Alu-Barren werden vor dem Schmelzen mit Abwärme aus der Fabrik auf 200 Grad vorgeheizt. Das spart beim Verflüssigen Energie. Die derzeit elektrisch beheizten Schmelzöfen sind bereits auf den späteren Einsatz von Wasserstoff vorbereitet.

Technologie fährt weiterhin zweigleisig

Dabei fährt BMW weiterhin zweigeleisig. Unmittelbar neben den Gehäusen für Elektromotoren werden auch die Kurbelgehäuse für Verbrenner hergestellt. So kann man auf Schwankungen der Nachfrage flexibler reagieren. „Die Technologieoffenheit ist oft kritisiert worden“, sagt Vorstand Post. Das aber ändere sich gerade. Die Perfektionierung des Gießens hat zu einer weiteren Verbesserung geführt: BMW ist es gelungen, das bei Gewicht und Festigkeit günstigere, aber auch schwer beschaffbare Magnesium bei einigen wichtigen Gussteilen zu ersetzen – durch das global besser verfügbare Aluminium. Und das ohne Qualitätsverlust. Die uralte Technik des Metallgießens ist ganz offenbar noch immer nicht am Ende ihrer Entwicklung angelangt.

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