Betriebsratschefin Daniela Cavallo informiert die Belegschaft über die Pläne der Konzernspitze. © Julian Stratenschulte/dpa
Wolfsburg – Der kriselnde Autobauer Volkswagen will nach Angaben des Gesamtbetriebsrats mindestens drei Werke in Deutschland schließen sowie zehntausende Jobs abbauen. Die verbleibenden Mitarbeitenden müssten mit Gehaltseinbußen von bis zu 18 Prozent rechnen, warnte der Betriebsrat am Montag. Scharfe Kritik an den Plänen kam von der Gewerkschaft IG Metall, während sich die VW-Konzernspitze nicht konkret äußerte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte, „Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern“.
„Der Vorstand will in Deutschland mindestens drei VW-Werke dichtmachen. Er behauptet: Ohne einen solchen Einschnitt geht es nicht“, erklärte Betriebsratschefin Daniela Cavallo im Wolfsburger Stammwerk. Die Konzernspitze kündigte dem Betriebsrat zufolge an, die verbleibenden Werke in Deutschland zu verkleinern. „Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher“, erklärte Cavallo.
Beschäftigte, die ihren Job behalten, müssten mit kräftigen Lohneinbußen rechnen. „Der Vorstand will allen Beschäftigten, egal ob Tarif, Tarif-Plus oder Management, zehn Prozent vom Monatsentgelt wegnehmen. Dauerhaft“, fuhr Cavallo fort. Zusätzlich soll es 2025 und 2026 keine Gehaltserhöhungen geben. Mitarbeiter müssen demnach „etwa 18 Prozent Entgelteinbußen hinnehmen“.
Cavallo warnte davor, die Ankündigungen „als Säbelrasseln in der Tarifrunde abzutun“. Morgen steht die zweite Verhandlungsrunde zwischen dem Konzern und der IG Metall über den Haustarifvertrag an. Die Unternehmensspitze hatte ihre Pläne kürzlich dem Gesamtbetriebsrat unabhängig von den laufenden Tarifverhandlungen präsentiert.
Das Unternehmen äußerte sich am Montag nicht konkret zu möglichen Schließungen und Entlassungen. „Wir halten an dem mit der Mitbestimmung vereinbarten Grundsatz fest, die Diskussion um die Zukunft der Volkswagen AG zuerst intern mit unseren Verhandlungspartnern zu führen“, erklärte VW. Das Unternehmen stehe an einem „entscheidenden Punkt seiner Unternehmensgeschichte“, die Lage sei „ernst“.
Es seien Restrukturierungsmaßnahmen nötig, um das Unternehmen „nachhaltig wettbewerbsfähig“ aufzustellen. Nur dadurch ließen sich weitere Investitionen in die Zukunft aus eigener Kraft finanzieren. Auch deshalb habe die VW-Konzernspitze Anfang September verkündet, dass Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen bei der Kernmarke nicht mehr ausgeschlossen seien.
Am Montag wiederholte der Konzern, dass die Arbeitskosten „sowohl im internen Vergleich wie auch im Vergleich des Branchendurchschnitts für einen Volumenhersteller“ „deutlich zu hoch“ seien. Am Mittwoch werde das Unternehmen „konkrete Vorschläge zur Senkung“ der Arbeitskosten machen.
Die IG Metall reagierte mit scharfer Kritik und bezeichnete die Sparpläne als „in keiner Weise hinnehmbar“. „Das ist ein tiefer Stich in das Herz der hart arbeitenden VW-Belegschaft“, erklärte Verhandlungsführer Thorsten Gröger. Die IG Metall erwarte, dass am Verhandlungstisch „tragfähige Zukunftskonzepte“ skizziert werden.
Sollte VW seine Planungen bestätigen, müsse der Vorstand mit „Konsequenzen“ rechnen. „Wenn die Chefetage den Abgesang Deutschlands einläuten will, muss sie mit einem Widerstand rechnen, den sie sich so nicht ausmalen kann“, warnte Gröger.
Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner sagte zu den Plänen, es sei Auffassung des Kanzlers, „dass mögliche falsche Managemententscheidungen aus der Vergangenheit nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen dürfen“. Die möglichen Schließungen wollte er im Detail nicht kommentieren. Scholz‘ „grundsätzliche Haltung“ sei jedoch klar. Auf welche möglichen „falschen“ Entscheidungen des VW-Managements sich der Kanzler bezieht, präzisierte sein Sprecher nicht.
Angesichts möglicher Werksschließungen fordert Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder eine radikale Kehrtwende in der deutschen Wirtschaftspolitik. „Es braucht einen Auto-Marshallplan“, sagte Söder in München. „Die Entwicklung bei VW ist brutal für den Autostandort Deutschland, auch wenn offenkundig Managementfehler gemacht wurden“.
Insgesamt beschäftigt die Volkswagen AG –ohne Töchter wie Audi und Porsche – in Deutschland rund 120 000 Menschen. VW hatte den seit 1992 geltenden Beschäftigungssicherungspakt im September gekündigt. Der Vertrag laufe Ende des Jahres aus. Sechs Monate später sind dann betriebsbedingte Kündigungen möglich, also ab Juli 2025. Ob und wann VW dann von der Möglichkeit Gebrauch macht, lässt das Unternehmen bisher offen.