Die digitale und die reale Welt verbinden: Das ist das erklärte Ziel von Siemens-Chef Roland Busch (hier auf der Hauptversammlung des Konzerns im Februar). © Frank Hoermann, IMAGO
München – Es ist einer der größten Zukäufe in der Geschichte von Siemens: Der Industriekonzern hat am Mittwochabend angekündigt, er werde für rund zehn Milliarden Dollar (9,2 Milliarden Euro) das US-Softwareunternehmen Altair Engineering kaufen. Altair sei ein weltweit führender Anbieter von KI-gestützter Software für industrielle Simulation und Analyse, teilte Siemens mit. Mit dem Kauf stärke Siemens seine Position als führendes Technologieunternehmen und seine Führungsrolle bei industrieller Software.
„Mechanische Simulation ist technisch eine Herausforderung. Wenn ich zum Beispiel ein Handy auf den Boden fallen lasse oder wenn ein Produkt Regen ausgesetzt wird – jetzt können wir auch simulieren, was dann passiert“, sagte Siemens-Vorstandsmitglied Cedrik Neike dem „Handelsblatt“. Siemens werde mit Altair im weltweiten Simulationsmarkt führend sein und könne Simulationen in der ganzen Kette anbieten.
Siemens-Chef Roland Busch erklärte, der Kauf sei „ein bedeutender Meilenstein für Siemens“. Die Investition stehe „im Einklang mit unserem Engagement, die digitale und nachhaltige Transformation unserer Kunden durch die Verbindung der realen und digitalen Welt zu beschleunigen“. Es sei ein „logischer nächster Schritt“: Siemens habe in den vergangenen 15 Jahren seine Führungsrolle bei industrieller Software ausgebaut und zuletzt die Vorteile von Daten und Künstlicher Intelligenz (KI) für ganze Industrien nutzbar gemacht.
Die Altair-Aktionäre erhalten laut Siemens 113 Dollar pro Aktie. Das entspricht demnach einem Unternehmenswert von ungefähr zehn Milliarden Dollar. Abgeschlossen sein soll das Geschäft in der zweiten Hälfte 2025. Den Kauf stemme Siemens „vollständig in bar mit bestehenden Mitteln“ sowie den sich „durch seine starke Bilanz ergebenden Finanzierungsmöglichkeiten“, betonte Finanzvorstand Ralf Thomas. Altair Engineering präsentiert sich selbst als ein „weltweit führendes Unternehmen“ in den Computerwissenschaften und der Künstlichen Intelligenz. Das Unternehmen wurde 1985 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Troy im US-Bundesstaat Michigan. Es beschäftigt mehr als 3500 Menschen. Siemens hat weltweit rund 305000 Beschäftigte, der Umsatz betrug im vergangenen Jahr knapp 75 Milliarden Euro, der Gewinn 8,5 Milliarden Euro.
Während Siemens auf der einen Seite massiv ins Digitalgeschäft investiert, trennt sich das Unternehmen auf der anderen Seite von traditionellen Industrien: Für eine Summe von 300 Millionen Euro verkauft Siemens seine Flughafenlogistiksparte, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Die Siemens Logistics Gruppe, die unter anderem Anlagen für die Sortierung von Flughafengepäck baut, soll an die niederländische Toyota-Tochter Vanderlande gehen. Der Verkauf war erwartet worden, er sei „ein weiterer wichtiger Schritt zur Schärfung unseres Portfolios als führendes Technologieunternehmen“, erklärte Finanzvorstand Thomas.
Siemens Logistics mit 2500 Mitarbeitern und Hauptsitz in Nürnberg hat nach Angaben des Münchner Konzerns eine führende Position in ihrem Markt und ist profitabel. Vollzogen werden soll der Verkauf im nächsten Jahr.
Siemens Logistics hat Standorte in 25 Ländern, am Hauptsitz in Nürnberg arbeiten gut 150 Mitarbeiter. Größte Niederlassung ist Dubai mit 500 Beschäftigten, der Jahresumsatz liegt nach Siemens-Angaben bei etwa 550 Millionen Euro, die Kunden sind Flughäfen und Fluggesellschaften. Siemens Logistics war als „Portfolio-Gesellschaft“ seit Längerem für den Verkauf vorgesehen. Zu diesen Firmen gehörte auch der Elektromotorenhersteller Innomotics, den Siemens im Mai abgestoßen hatte.
Der Münchner Dax-Konzern hat im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte einen großen Teil seiner einstigen Industrieproduktion – von Computertechnik über Telefontechnik bis zu Kraftwerksturbinen – in börsennotierte Gesellschaften ausgegliedert oder ganz verkauft und stattdessen das Geschäft mit Industriesoftware durch Zukäufe stark ausgebaut.
DPA/AFP/SH