Die Baywa-Aktionäre fürchten um ihr Geld. Die Konzernspitze ist zuversichtlich. © Wolfgang Maria Weber/Imago
München – Der zum Sanierungsfall gewordene Baywa-Konzern rutscht tief in die roten Zahlen: Der Nettoverlust des 101 Jahre alten Münchner Traditionsunternehmens summierte sich in den ersten neun Monaten des Jahres auf knapp 641 Millionen Euro, wie die Baywa mitteilte. Das war mehr als das Sechsfache des Verlusts im gesamten Jahr 2023. Das hohe Defizit war aber nicht allein auf schlechte Geschäfte zurückzuführen, sondern auch auf Abschreibungen im ersten Halbjahr. Eine Ergebnisprognose für dieses Jahr gab der Vorstand nicht ab. Die Sanierung werde noch Jahre dauern, erklärte das Unternehmen.
Die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangene Baywa ist der größte deutsche Agrarhändler und für Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung vor allem im Süden und Osten Deutschlands von Bedeutung. Weitere Geschäftsfelder sind erneuerbare Energien und Bau. Die Baywa-Führungsetage geht nach wie vor davon aus, dass eine „nachhaltige Sanierung“ möglich ist. Zieldatum für die Gesundung des Konzerns ist das Jahr 2027, wie der Quartalsmitteilung zu entnehmen ist. Hauptaktionäre sind die Beteiligungsgesellschaften der Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern und Österreich.
Der Umsatz sank von Anfang Januar bis Ende September um knapp 12 Prozent auf 16 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) brach in dem Zeitraum von plus 215 Millionen im Vorjahreszeitraum auf minus 78 Millionen Euro ein, laut Baywa hauptsächlich verursacht durch hohe Einbußen im Geschäft mit erneuerbaren Energien. Letzteres wird geführt von der ebenfalls in stürmische See geratenen Tochter Baywa r.e., an der neben dem Münchner Mutterkonzern die Schweizer Investmentgesellschaft Capital Energy Partners beteiligt ist. Die zwei Hauptaktionäre und das Schweizer Unternehmen haben die Baywa zum Stichtag 30. September mit Darlehen von 157 Millionen Euro gestützt.
Das Unternehmen ächzt unter Schulden in Milliardenhöhe, zum Großteil die Erblast einer auf Kredit finanzierten rapiden Expansion in der Amtszeit des 2023 verabschiedeten früheren Vorstandschefs Klaus Josef Lutz. Die sehr hohen Verluste in den ersten neun Monaten sind die zweite schlechte Nachricht in dieser Woche: Erst am Montag hatte die Finanzaufsicht Bafin publik gemacht, dass sie den Jahresüberschluss 2023 überprüft, weil das Unternehmen möglicherweise seine finanziellen Risiken schönte.
Im Verlauf der vergangenen 12 Monate hat die Baywa-Aktie drei Viertel ihres Werts verloren, auch am Donnerstag ging es an der Börse nach unten. Einen Vorstandsvorsitzenden hat die Baywa derzeit nicht: Ende Oktober verließ der bisherige Konzernchef Marcus Pöllinger nach nur eineinhalb Jahren an der Spitze das Unternehmen vorzeitig.
Auch bei den Aktionären gab es personelle Konsequenzen: Der Vertreter des größten Baywa-Aktionärs im Aufsichtsrat des schwer angeschlagenen bayerischen Agrarkonzerns nimmt mit sofortiger Wirkung den Hut. Wolfgang Altmüller, im Hauptberuf Vorstandschef der Rosenheimer „meine Volksbank Raiffeisenbank eG“, einer der größten bayerischen Genossenschaftsbanken, erklärte in einem Reuters vorliegenden Schreiben an Baywa-Aufsichtsratschef Gregor Scheller am Mittwoch seinen Rücktritt aus dem Gremium. Altmüller ist einer von zwei Stellvertretern Schellers. Er wolle mit dem Schritt „ein Signal nach innen und außen senden auf dem Weg der Neuausrichtung“, heißt es in dem Brief. Altmüller gehört dem Aufsichtsrat seit zehn Jahren an und ist noch bis 2028 gewählt.