Der Berater, der sie alle kennt

von Redaktion

Buchpräsentation vergangenen Freitag: Historiker Gregor Schöllgen (r.) und ifo-Präsident Clemens Fuest (li.). © Yannick Thedens

Vorgefahren wird im Bentley: Unternehmensberater Roland Berger im Jahr 2005. © Imago (Archiv)

München – Er hat 1967 Deutschlands größte Unternehmensberatung gegründet, war bis in die 1990er Drahtzieher der Deutschland AG, hat mit Helmut Kohl die Treuhand entwickelt und Gerhard Schröder bei der Agenda 2010 beraten: Roland Berger ist der „Ratgeber der Deutschen“, wie der Historiker Gregor Schöllgen in seinem neuen Buch über Roland Berger schreibt („Der Consultant“, Siedler-Verlag, 400 Seiten, 32 Euro). Am Freitagabend hat er es gemeinsam mit dem Wirtschaftsforscher Clemens Fuest im Literaturhaus in München vorgestellt. Schöllgen wurde von Berger selbst für die Biografie angefragt, führte dafür etwa 20 Gespräche mit dem heute 86-jährigen und sichtete rund 500 Aktenordner.

Auf dieser Basis zeichnet er das Bild eines eloquenten, wissbegierigen, ehrgeizigen und gewinnenden Netzwerkers, der sich immer Hals über Kopf in die Arbeit gestürzt hat. Und das nicht nur als Unternehmensberater, sondern auch als Unternehmer. „Der Mann hat Kraft für zehn“, bescheinigt ihm der Historiker Schöllgen im Literaturhaus. Schon neben seinem BWL-Studium baute Berger zwei eigene Firmen auf: einen Schnapsdiscounter mit angesagtem Whisky und Cognac aus dem Ausland sowie eine Wäscherei für wohlhabendere Kunden, für die Berger mit seinem VW Käfer mit ausgebautem Vordersitz durch München fuhr und Wäschekörbe sammelte. Auch Kinder halfen ihm dabei – heute undenkbar.

Die beiden Unternehmen sollen den damaligen Studenten laut eigenen Angaben früh zum Millionär gemacht haben. Schöllgen fand dafür zwar keine Belege, hält das aber für plausibel. Und die Wäscherei verschaffte ihm über ein paar Ecken den Kontakt zu einer italienischen Unternehmensberatung, wo er anheuerte und das Rüstzeug für seine eigene Beratungsfirma erwarb: Roland Berger. Sie ist längst die größte in Europa mit heute über einer Milliarde Euro Umsatz. Berger selbst soll rund 600 Millionen Euro Vermögen angehäuft haben, war bis ins hohe Alter als Berater tätig und ist heute Investor, Kunstmäzen, schreibt Bücher und hält Vorträge.

Dennoch war nicht alles nur eitel Sonnenschein in Bergers Leben. Sein Vater war als Buchhalter der Hitlerjugend tiefer in das NS-Regime verstrickt, als es sein Sohn lange wahrhaben wollte. Der mit allen Wassern gewaschene Berater fiel zudem auf halbseidene Geschäftspartner wie Thomas Middelhoff oder René Benko herein. Dass Ex-Arcandor-Chef Middelhoff bei Gericht nach einem Offenbarungseid durch ein Fenster floh, hatte damit zu tun, dass sein ehemaliger Freund und Partner Roland Berger ihn verklagt hatte, Geld zurückwollte und Middelhoff im Gericht Journalisten auf den Hals gehetzt hatte. Auch auf das Signa-Schneeballsystem des Österreichers René Benko fiel Berger herein. Start-ups und Newcomer würden Berger einfach anziehen, rechtfertigt Schöllgen die Ausrutscher in seinem wohlwollenden Buch, das diese Kapitel immerhin kurz streift. „Schließlich hat er ja selbst so begonnen.“

Auch mit seiner eigenen Unternehmensberatung lief nicht alles reibungslos. Weil er nicht loslassen wollte, drängten ihn seine Partner vor einigen Jahren aus der Firma und wollten in einem bizarren Rechtsstreit sogar erwirken, dass Berger seinen eigenen Namen nicht mehr als E-Mail-Adresse verwenden durfte – jedoch ohne Erfolg. Dass die Unternehmensberatung trotz dieser Streitigkeiten nach wie vor nach Roland Berger benannt ist, spricht jedoch Bände. Der Name ist eine zu bekannte Marke, um ihn zu ändern. „Roland Berger kennt einfach jeden und kann alles ermöglichen“, bestätigte der Wirtschaftsforscher Clemens Fuest vom ifo-Institut am Freitag. Er muss es wissen, immerhin leitete Berger lange Jahre den Freundeskreis des ifo-Instituts und zauberte innerhalb von Stunden die Chefs von Großkonzernen ans Telefon, wenn die Forscher mal ein Praxisbeispiel aus der Wirtschaft suchten. Und Fuest lobt die Offenheit und Neugier Bergers, die bei so erfolgreichen Menschen keine Selbstverständlichkeit sei.

Dennoch werden heute viele Deals und Ratschläge des Wahl-Münchners, der am kommenden Freitag seinen 87. Geburtstag feiert und aus gesundheitlichen Gründen nicht bei der Buchvorstellung sein konnte, kritisch hinterfragt. Unternehmensberater stehen für skrupellosen Jobabbau, die Treuhand wird mit einer Wild-West-Privatisierung im Osten nach der Wende verbunden und die Deutschland AG mit Klüngel zwischen Großkonzernen, Banken und Versicherungen. Auch große Unternehmen wie TUI oder Volkswagen, an deren Konstruktion Berger als Ideengeber und Netzwerker beteiligt war, bröckeln heute bedenklich. Zum einen liege das daran, dass sich die äußeren Umstände geändert haben, erklärt Biograf Schöllgen im Literaturhaus. Ein weiter Grund sei, aber dass Berger nicht mehr als Berater an Bord sei, so der Historiker mit einem Augenzwinkern.

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