Deutscher Wirtschaft droht harter Winter

von Redaktion

Im Sommer gab es noch ein Mini-Wachstum, doch Trump könnte die Unsicherheit in der Industrie weiter erhöhen

Wiesbaden – Mini-Erholung statt Trendwende in der Krise: Nach einem hauchdünnen Wachstum der deutschen Wirtschaft im dritten Quartal und gestutzten Raten im Jahresverlauf droht Deutschland nach Einschätzung von Ökonomen eine Rezession im Winter. Zwar sorgten etwas ausgabefreudigere Verbraucher und gestiegene Staatsausgaben im Sommerquartal für ein kleines Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent. Doch mit dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA haben sich die Aussichten für die Konjunktur eingetrübt, während in Deutschland nach dem Bruch der Ampel-Koalition noch Monate bis zu einer neuen handlungsfähigen Regierung vergehen. Ökonomen senken bereits ihre Wachstumsprognosen für das kommende Jahr.

„Deutschland befindet sich in einer quälend langen Stagnationsphase“, schreibt Andreas Scheuerle, Leiter Industrieländer bei der Dekabank. Auf den strukturellen Problemen bleibe man so lange sitzen, „bis die Politik den großen (Reform-)Wurf wagt“. Zwar sei ein Schrumpfen der Wirtschaft im Sommer ausgeblieben, meint Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Direktbank ING Deutschland, „aber es droht eine Rezession im Winter“.

Wirtschaft am Rande der Rezession

Im dritten Quartal wuchs die deutsche Wirtschaft schwächer als gedacht. In einer zweiten Schätzung ermittelte das Statistische Bundesamt ein Wachstum von 0,1 Prozent zum Vorquartal – auf Basis vorläufiger Daten waren es immerhin 0,2 Prozent. Damit schneidet die deutsche Wirtschaft schlechter ab als andere Länder in Europa. „Das Plus im dritten Quartal dürfte zunächst erst einmal nur ein Ausreißer, nicht aber eine Trendwende gewesen sein“, sagt Ökonom Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung.

Ausgabefreudigere Verbraucher stützen die Wirtschaft immerhin etwas: Nach dem Abebben der Inflation und angesichts steigender Löhne sitzt das Geld bei vielen Menschen wieder lockerer. Die Exporte sanken dagegen deutlich, auch die Investitionen in Ausrüstungen – vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – gingen zurück.

Die deutsche Wirtschaft bleibt damit in einer Schwächephase, die nach Einschätzung der Bundesbank im laufenden Schlussquartal anhalten dürfte. Immerhin: Eine Rezession „im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung“ sah sie zuletzt nicht.

Gegenwind für die deutsche Wirtschaft gibt es reichlich: Auf den Weltmärkten hat China als Wachstumstreiber an Schwung verloren, im Inland steigt die Zahl der Firmenpleiten. Zugleich sind die Exportaussichten für die Industrie trüb. Hohe Energiepreise und die Bürokratie belasten den Standort. Schlüsselindustrien wie Chemie und Autobau stecken in der Krise, der Wohnungsbau schwächelt. Helfen dürften der Konjunktur sinkende Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB), sie machen Kredite für Unternehmen und Verbraucher tendenziell günstiger. Doch bis sich Zinssenkungen in der Realwirtschaft niederschlagen, vergeht Zeit.

Gegenwind für Schlüsselindustrien

Zudem ist die Unsicherheit mit dem Wahlsieg von Trump und dem Ampel-Aus stark gewachsen. Sollte Trump wie angekündigt die Zölle auf Importe aus Europa auf 10 bis 20 Prozent erhöhen, dürfte das die exportorientierte deutsche Wirtschaft besonders treffen. Zum Vergleich: In Trumps erster Amtszeit lag der durchschnittliche Zollsatz der USA nach Angaben der Commerzbank bei etwa 3 Prozent. Ökonomen befürchten Handelskonflikte. Die Zollpläne von Trump könnten Deutschland ein Prozent der Wirtschaftsleistung kosten, warnte kürzlich Bundesbank-Präsident Joachim Nagel.

Für die deutsche Wirtschaft kommen Trumps Pläne zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Die Bundesregierung erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt 2024 das zweite Jahr in Folge leicht schrumpft und erst 2025 um 1,1 Prozent wächst. Die „Wirtschaftsweisen“ dagegen erwarten nur ein kleines Wachstum von 0,4 Prozent im kommenden Jahr.

Umso mehr fordern Ökonomen nun umfassende Strukturreformen. ING-Ökonom Brzeski meint: „Die deutschen Wachstumsaussichten werden stark von der Fähigkeit der neuen Regierung abhängen, die heimische Wirtschaft angesichts eines möglichen Handelskriegs und einer noch strengeren Industriepolitik in den USA zu stärken.“
ALEXANDER STURM

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