Freising – Vor einem Jahr hat Patentanwalt Paul-Alexander Wacker eine Liste mit rund 30 Punkten ans Wirtschaftsministerium geschickt. Der Freisinger versucht immer wieder, mit seinen Vorschlägen in der Politik vorzudringen. Sein Ziel: Der Mittelstand soll sich endlich wieder mit seinen Innovationen in die Volkswirtschaft einbringen. „Die Politik benachteiligt deutsche Mittelstandsunternehmen bei Innovationen“, sagt Wacker. „Mich entsetzt der gezielte Untergang der nicht-industriellen deutschen Erfinder.“ Der Mittelstand habe es immer schwerer, sich mit seinen Erfindungen gegen Konzerne zu behaupten.
In 50 Jahren hat der Patentanwalt eine der großen deutschen Patentanwaltskanzleien aufgebaut und betreut über 25 Weltkonzerne mit über 130 Mitarbeitern. Er fokussiert sich auf Innovationen mittelständischer Unternehmen. In seiner jahrelangen Arbeitszeit hat Wacker beobachtet, wie die Ergebnisse von universitärer Forschung ausschließlich an großindustrielle Kooperationspartner gingen, nicht aber an mittelständische Unternehmen.
Der Grund: „Die Rahmenbedingungen haben sich seit den 80er-Jahren radikal verschlechtert.“ In den 60er Jahren gab es auf Einnahmen aus Erfindungen einen halben Einkommenssteuersatz, sodass Unternehmen den ersparten Steueranteil ins Wachstum stecken konnten. Mit Einführung des europäischen Patentsystems wurde die Erfinderschonfrist abgeschafft. Sechs Monate waren die Erfinder vor versehentlichen Vor-Veröffentlichungen geschützt. In den USA liegt die Frist derzeit bei einem Jahr. Japan hat sie vor ein paar Jahren eingeführt. „Mit der Abschaffung gehen wertvolle Erfindungen verloren“, sagt Wacker. Fast täglich müsste einer seiner Mandanten seine Erfindungen an Konzerne abtreten, weil er im Rechtsstreit keine Chance habe. Der Patentanwalt geht sogar so weit: „Großindustrielle Interessenvertreter verhindern die Wiedereinführung, weil sie sich nicht mit Schutzrechten kleiner Unternehmen herumschlagen wollen.“ Weiter kritisiert der Anwalt die langen Patentverfahren. In seiner Kanzlei dauern die Verfahren teils sieben Jahre. „Das ist zu lange“, sagt er. „Nach sieben Jahren ist die Erfindung überholt und oft ziehen die Mandanten ihre Anmeldung zurück. Es gibt zu wenige Prüfer im Patentamt.“
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) widerspricht auf Anfrage unserer Zeitung. Im vergangenen Jahr habe die durchschnittliche Verfahrensdauer bei 3,1 Jahren gelegen. Wird ein Patent erteilt, so gilt der Schutz nach Angaben der Behörde rückwirkend zum Anmeldedatum. Weiter treffe das Patentamt schnell eine erste Einschätzung, ob und inwieweit eine Erfindung schutzfähig ist, teilt ein Sprecher mit. Wenn ein Anmelder innerhalb der ersten vier Monate nach Patentanmeldung den Prüfungsantrag stelle, so erhalte er nach acht Monaten einen Erstbescheid.
Softwareentwickler Jan Witt ist die Schnittstelle von Patentanwalt und Unternehmen. Seine Münchner Firma produziert Sicherheitsprogramme für Erfindungen. „Kleine Unternehmen scheitern oft an der Unwissenheit“, sagt er. Den Unternehmern müsste klar sein, niemals bei einem Geschäftsgespräch über das angemeldete Patent zu sprechen. Erfinderschonfrist oder Steuernachlass, wie sie Wacker vorschlägt, seien aber nicht die Lösung. In den USA würden sich Unternehmen frühzeitig mit dem Schutzrecht beschäftigen. Bezahlbare Sicherheitsprogramme gebe es auch für kleinere Unternehmen. Einig sind sich die beiden Patentexperten hingegen in der Forderung nach mehr Aufklärung. „Das ist ein erster, einfacher Schritt“, sagt Wacker. In Kursen müssen Referenten die Studierenden über Patentverfahren aufklären.
CARINA OTTILLINGER