Lange Schlange an der Grenze: An den Übergängen von Mexiko in die USA stauen sich die Laster oft kilometerweit. Sie transportieren viele Waren von deutschen und US-Firmen nach Amerika. © GUILLERMO ARIAS/afp
San Luis Potosí – Will man das modernste Werk von BMW sehen, muss man nach Mexiko reisen. Es liegt auf einer Hochebene in der Nähe von San Luis Potosí, eingerahmt von Kakteen, Agaven und fast 3000 Meter hohen Bergen. Gut 450 Autos laufen in der erst vor fünf Jahren eröffneten Fabrik pro Tag dort vom Band, viele davon gehen in die USA. Auf dem riesigen BMW-Gelände in der mexikanischen Halbwüste ist noch viel Platz, die Bayern könnten hier auch 1000 Autos pro Tag bauen. Doch ob sich das künftig noch so lohnt wie bisher?
Seit gut 30 Jahren gibt es eine Freihandelszone zwischen den USA, Mexiko und Kanada, weshalb nicht nur BMW in Mexiko Autos baut. Auch Audi hat ein Werk in San José Chaipa, Volkswagen sitzt in Puebla und Silao, Mercedes hat ein Joint-Venture mit Nissan in Aguascalientes und Mazda und Honda aus Japan sowie die US-Konzerne General Motors und Ford sind im südlichen Nachbarland der USA. Bisher profitieren sie alle von weitgehender Zollfreiheit und niedrigen Löhnen, wenn sie in Mexiko für Nordamerika produzieren. Donald Trump will das aber am ersten Tag seiner Amtszeit ändern. Der kommende US-Präsident kündigte auf seiner Onlineplattform Truth Social an, künftig 25 Prozent Zoll auf Waren aus Mexiko und Kanada zu erheben und auch die China-Zölle zu erhöhen.
Auch Deutschland wäre stark betroffen
Die Attacke auf Mexiko ist auch ein Angriff auf Deutschland, glaubt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research (CAR). „Mexiko ist für die deutschen Autobauer der wichtigste Brückenkopf in die USA“, erklärt er. Laut Verbandszahlen kamen allein im ersten Halbjahr 2024 fast die Hälfte der umgerechnet etwa 1,5 Milliarden Euro an Direktinvestitionen in die mexikanische Autoindustrie aus Deutschland. Es gibt bereits über 2000 Zulieferer im Land, darunter Bosch, Continental, Leonie oder Mahle. ZF aus Friedrichshafen betreibt sogar etwa 20 Standorte mit rund 25 000 Mitarbeitern in Mexiko. All diese Firmen hat Trump im Visier. Er könne sich auch „200 oder 500 Prozent“ Zoll vorstellen, sagte er vor Kurzem seinem Lieblingssender Fox News. „Ich werde eine Zahl festlegen, bei der sie kein einziges Auto mehr verkaufen können.“ Trump will also alles tun, damit Autos für den US-Markt in den USA gebaut werden.
Das macht die Lage für die vom Autobau abhängige und ohnehin stark angeschlagene deutsche Wirtschaft nochmals schwieriger. „Die von Trump angekündigten Zölle werden die deutsche Wirtschaft bremsen“, warnte Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, am Dienstag. Dieses Jahr hätten die Exporte in die USA Bayerns Wirtschaft noch halbwegs über Wasser gehalten, so Hatz (siehe unten). „Dieser Impuls könnte im nächsten Jahr wegfallen“. Wie schmerzhaft ein Zollkrieg werden könnte, haben Wirtschaftsforscher bereits errechnet. Laut ifo-Institut könnten die deutschen Exporte um 15 Prozent einbrechen, das IW Köln kalkuliert mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um ein Prozent. In diesen Szenarien sind auch direkte Zölle auf Waren aus Deutschland enthalten. „Mit hohen Zöllen wäre der Kostenvorteil einer Autoproduktion in Mexiko kaputt“, warnt auch Autoexperte Dudenhöffer. „Die Strategie der deutschen Hersteller, in Mexiko für die USA zu produzieren, wäre damit gescheitert.“
Autobauer hoffen, dass Trump nur blufft
Ob es wirklich so kommt? Daran hat Dudenhöffer Zweifel. „Nicht einmal Trump kann einfach so eine Freihandelszone aufkündigen“, sagt er. „Er will nur Druck für Verhandlungen aufbauen und in der Öffentlichkeit als harter Mann dastehen, der mit einem Deal Jobs in die USA holt.“ Die Autobauer sehen das ähnlich und wollen Zölle erst dann kommentieren, wenn sie Realität sind. Hinter vorgehaltener Hand weisen sie aber darauf hin, dass Trump schon in seiner ersten Amtszeit mit viel Getöse das Freihandelsabkommen nachverhandelt hat – ohne große Folgen für die Autoindustrie in Mexiko.
Ein weiterer Punkt: Hohe Zölle könnten auch in den USA selbst die Inflation mittelfristig um mehr als ein Prozent erhöhen und das Wirtschaftswachstum um ein Prozent einbrechen lassen – weit mehr als in der EU. Das hat die Commerzbank auf Basis von Zahlen des Instituts für Weltwirtschaft und des Peterson Instituts errechnet. Der Grund: Fast alle erfolgreichen US-Konzerne produzieren auch im Ausland, bekannte Beispiele aus Mexiko sind etwa der Medizintechnikkonzern Medtronic, der Luftfahrtkonzern Honeywell oder General Motors. Andere beziehen Teile oder Rohstoffe aus Mexiko, China oder Kanada. Mit Zöllen würden sich die USA selbst am meisten schaden und Waren für Amerikaner teurer machen. Für Trump, der sich im Wahlkampf als Inflationsbekämpfer gab, wäre das ein Problem – weshalb man in Deutschland hofft, dass selbst bei ihm nicht so heiß gegessen wie gekocht wird.