München – Investiert der Staat genug in die Zukunft? Jein, sagen die Wissenschaftler vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Sie haben für die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) untersucht, wie sich das Ausgabeverhalten des Staates zwischen 2018 und 2024 entwickelt hat. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über die Studie berichtet.
Ganz grundsätzlich investiert Deutschland der Studie nach wenig: Die Bundesrepublik steckt 2,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in öffentliche Investitionen. Der Durchschnitt der EU-Länder liegt bei 3,6 Prozent, die skandinavischen Länder machen sogar 4,4 Prozent locker. Das IW identifiziert die Bereiche Klimaschutz, Mobilität, Digitalisierung, Bildung, Forschung, Bauen, Wohnen und Umweltschutz als zukunftsträchtige Investitionen. Hier sind die deutschen Volumina in den vergangenen sechs Jahren grundsätzlich deutlich aufgestockt worden.
So sind im Haushalt 2024 zwölf Milliarden Euro für die Digitalisierung eingeplant, zwölf Mal so viel wie 2018. Für Klimaschutz sind es 29 Milliarden, fünf Mal so viel wie 2018. Die Ausgaben für Mobilität stiegen von 33 auf 56 Milliarden, vor allem für die Schiene. Für Bildung und Forschung floss anteilig jedoch weniger Geld als 2018.
Ein Problem, auf das die Studienautoren aufmerksam machen: Viele eingeplante Gelder werden gar nicht abgerufen. Studienautor Tobias Hentze erklärt: „Wenn das Geld nicht für den Ursprungszweck ausgegeben wird, werden damit andere Haushaltslöcher gestopft oder wandert in den nächsten Haushalt“, so Hentze gegenüber unserer Zeitung. So wurden 2021 und 2022 nur 50 Prozent der geplanten Gelder für die Digitalisierung wirklich abgerufen. 2023 immerhin 63 Prozent. Besonders gravierend ist die Quote für die Förderung einer CO2-freien Industrie ausgefallen: 2022 wurden von 1,2 Milliarden nur neun Millionen abgerufen – 0,75 Prozent.
Laut Tobias Hentzer gibt es dafür viele Gründe: „Oft sind Ausschreibungen für staatliche Ausgaben zu langwierig oder kompliziert. Gleiches gilt für Fördergelder: Oft müssen die Empfänger zu viele Bedingungen erfüllen und zu viel eigenes Geld dazuschießen. Letzteres gilt vor allem für Länder und Kommunen.“ Er fordert: „Wir brauchen eine effizientere Verwaltung und weniger Bürokratie: Ausschreibungen und Förderprogramme müssen deutlich einfacher werden.“
Der vbw-Chef Bertram Brossardt fordert einen schlankeren Staat: „Wir müssen öffentliche Aufgaben hinterfragen und ganz umfassend Bürokratie und Lasten für Bürger und Wirtschaft abbauen“, sagte Brossardt der „SZ“. Denn: Deutschland gibt mehr für Sozialausgaben aus als der EU-Schnitt. Fragt man Tobias Hentzer, wo der Staat überhaupt sparen darf, sagt er: „Bei der Rente sind es die versicherungsfreien Leistungen wie die Rente mit 63 und die Mütterrente, aber auch der Anstieg der Leistungen. Auch das Bürgergeld und das Elterngeld wären mit einer Gesetzesänderung kürzbar.“
MAS