In der Konzernzentrale in der Arabellastraße in München werden wohl 500 Stellen gestrichen. © Imago
München – Dass es Einschnitte geben wird, war klar. Wie hart diese ausfallen, dürfte viele Mitarbeiter nun doch überrascht haben: Der Münchner Agrarriese Baywa, der im Sommer knapp an einer Pleite vorbeigeschlittert ist, will im Zuge seiner Sanierung rund 1300 Stellen abbauen. Die Zahl wurde den Angestellten am Mittwochvormittag von der Konzernleitung in einer Video-schalte mitgeteilt. Derzeit hat die Baywa rund 8000 Mitarbeiter. Insgesamt könnten bald mehr als 16 Prozent von ihnen ihren Job verlieren. Die Gewerkschaft Verdi rechnet sogar damit, dass inklusive Teilzeitkräfte 1500 Menschen vom Abbau betroffen sein dürften, da die Baywa ihn in Vollzeitstellen umgerechnet hat. Der Chefsanierer versuche so, das Ausmaß des Jobabbaus „zu verharmlosen“, so Verdi.
Besonders eisern soll in der Verwaltung gespart werden, auf die etwa 40 Prozent der Streichliste entfällt. Etwa 520 Stellen sollen dort wegfallen, die allermeisten davon in der Konzernzentrale in der Arabellastraße in München. Von den gut 400 Baywa-Standorten, die quer über Deutschland verteilt sind, sollen außerdem 26 geschlossen werden. Bisher ist nicht bekannt, um welche es sich handelt. In der Fläche bleibe die Baywa damit „stark vertreten“, so der Konzern. Die Filialen bilden die Schnittstelle zu den Landwirten und den Kunden. Bis März finden nun Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Stellenabbau statt. Umgesetzt sollen die Maßnahmen bis 2027 werden.
Die Baywa des Jahres 2027 werde „ein fokussiertes, zeitgemäßes Handelshaus“, sagte der Chefsanierer Michael Baur, der seit November auch Baywa-Chef ist. „Mit dem Transformationskonzept ist jetzt die Basis für eine erfolgreiche Zukunft gelegt.“ Auch Verdi räumte ein, dass eine neue Ausrichtung der Baywa notwendig sei. Die Sanierung werde aber „vollständig auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen, und das zu Gunsten der Banken“, sagte Thomas Gürlebeck, der für Verdi im Aufsichtsrat der Baywa sitzt. Die Angestellten seien Opfer eines „größenwahnsinnigen Expansionskurses“, für den bereitwillig immer neue Kredite gegeben wurden. Nun verkaufe der von den Gläubigern eingesetzt Sanierer das Tafelsilber und setze Mitarbeiter auf die Straße, um die Banken auszubezahlen. Er forderte Baur auf, gemeinsam an einem Sanierungskonzept „ohne Kahlschlag“ zu arbeiten und kündigte an, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen.
Neben Stellenstreichungen sollen auch Verkäufe von „wesentlichen internationalen Beteiligungen“ erfolgen, die die Baywa zukunftsfähig machen. Welche genau, steht allerdings nicht in der Mitteilung. Aus Konzernkreisen heißt es, dass der Rotterdamer Spezialitätenhändler Ceftera, der neuseeländische Apfelkonzern Turners & Growers sowie die Baywa r.e. auf der Verkaufsliste stehen. Die Tochter für Erneuerbare Energien hat zuletzt hohe Kosten und Verluste verursacht.
Alle drei Beteiligungen stammen aus der Ära von Ex-Baywa-Chef Klaus Josef Lutz. Er machte die Baywa von einer nationalen Größe zu einem Weltkonzern, der nicht nur mit Agrargütern, Landmaschinen und Baustoffen handelt, sondern auch Wind- und Solarparks finanziert und baut. Heute hat das Unternehmen, das mehrheitlich in der Hand von Genossenschaftsbanken ist, hunderte Beteiligungen. Mit seinen Zukäufen türmte Lutz allerdings auch Milliardenschulden auf, die dem Traditionsunternehmen mit steigenden Zinsen nun auf die Füße gefallen sind. Bei seinem Expansionskurs soll Lutz unter anderem die Unternehmensberatung Roland Berger zur Seite gestanden sein, in deren Sanierungsgutachten die Kündigungen und Verkäufe empfohlen wurden.
ANDREAS HÖSS