Die alte Opel-Hauptverwaltung in Bochum steht zwischen neu errichteten Gebäuden. Am 5. Dezember 2014 endete dort die Produktion. © Oliver Berg/dpa
Bochum – „Das Herz von Opel hat aufgehört zu schlagen“, klagte am 5. Dezember 2014 ein Bochumer Opel-Mitarbeiter in der letzten Produktions-Nachtschicht des Werkes. Das Aus des Autobauers mit zuletzt noch rund 3000 Jobs im strukturschwachen Ruhrgebiet sorgte vor zehn Jahren für Wut und Zukunftsangst. Heute ist auf dem Gelände ein Wirtschafts- und Technologiezentrum mit mehr als doppelt so vielen neuen Jobs entstanden. „Aktuell arbeiten rund 6300 Leute in Firmen auf dem Areal. Bis etwa 2028 werden es 13 000 sein“, sagt Ralf Meyer, Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft Bochum Perspektive, die den Strukturwandel gemanagt hat. „Ich bekomme im Moment zahlreiche Anfragen aus Autostädten wie Saarlouis, Emden, Osnabrück oder Rüsselsheim, wie wir das hingekriegt haben.“
Die schwache Nachfrage insbesondere nach Elektroautos und die neue Konkurrenz aus China haben für Krisenstimmung bei Autobauern wie Ford und Volkswagen sowie bei den Zulieferern gesorgt. Werksschließungen drohen und für die Kommunen absackende Gewerbesteuereinnahmen. Bochum hat das schon hinter sich. Am 5. Dezember 2014 ist dort der letzte Opel vom Band gelaufen. Nach 52 Jahren ging damit die Ära der Autoproduktion zu Ende, die als Ausgleich für die Arbeitsplatzverluste im Bergbau gedacht war. Bis zu 20 000 Menschen arbeiteten zeitweise in dem Bochumer Werk und montierten Kadett und Manta, Astra und Zafira.
Tempo zählt
Wenn tatsächlich Werke schließen müssen, sei Tempo bei der Umstrukturierung besonders wichtig, betont Meyer. „Kein jahrelanger Dornröschenschlaf. In Bochum sind die Bagger buchstäblich am Tag nach der Schließung angerückt“, sagt der Kommunalmanager. Opel habe der Stadt das riesige, aber von Altlasten aus dem früheren Bergbau belastete 70-Hektar-Gelände für einen Euro überlassen, zusätzlich einen zweistelligen Millionenbetrag unter anderem für die Sanierung und eine Personalentwicklungsgesellschaft investiert. Dann seien möglichst schnell die alten Anlagen abgerissen worden. 2017 begannen die Bauarbeiten für ein großes DHL-Paketzentrum mit 600 Beschäftigten.
Eine wichtige Rolle habe die benachbarte Bochumer Universität mit ihren gut ausgebildeten Absolventen und dem bundesweit bekannten Schwerpunkt IT-Sicherheit gespielt. Das habe etwa VW darin bestärkt, hier die IT-Tocher VW-Infotainment anzusiedeln, derzeit mit rund 1200 Beschäftigten. Aus einer Uni-Ausgründung entstand die heutige Bosch-IT-Tochter Etas mit jetzt 350 Mitarbeitern. Der Standort bietet Platz für bis zu 2000.
Grundlage für den Aufbruch waren hohe Investitionen, neben Opel auch der öffentlichen Hand. Allein das Land NRW übergab 2014 und 2015 rund 65 Millionen Euro an Förderung. Auf insgesamt rund 165 Millionen Euro beziffert Meyer die Umbaukosten. „Ohne die Förderung wäre das nicht gegangen.“ Genauso wichtig wie das Geld sei es aber gewesen, dass Stadt, Land, die Verwaltung und die Universität bei dem Projekt tatsächlich zusammengearbeitet haben. „Die Politik hat ihre Scharmützel weggelassen, die Verwaltung hat Genehmigungen deutlich beschleunigt erteilt.“
Die Planungsgesellschaft habe beim Verkauf der Grundstücke darauf geachtet, dass ein vielfältiger Mix aus Dienstleistung, forschungsnahen Unternehmen und Produktion entstand, mit Firmen zwischen 150 bis 1000 Mitarbeitern. „Wir wollten nicht den einen Großkonzern, wie es heute zum Beispiel mit Chipherstellern versucht wird. Und wenn die in die Krise geraten, ist der ganze Standort gefährdet.“
Hohe Gewerbesteuer
In Bochum ist der Umbau gelungen. Auf dem einstigen Opel-Areal steht als Blickfang noch die denkmalgeschützte einstige Hauptverwaltung. Sonst sind fast alle Fabrikgebäude abgerissen. Über der alten Hauptverwaltung steht nicht mehr „Opel“, sondern in großen roten Buchstaben „O-Werk“. 2027 will das Max-Planck-Institut für IT-Sicherheit hier seinen neuen Standort beziehen, vor Kurzem gab es den Spatenstich. Den erfolgreichen Wandel spürt man auch in den Büchern der Stadt: „Die Bochumer Gewerbesteuereinnahmen haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt“, sagt Meyer.