EU legt Axt an eigene Regeln an

von Redaktion

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Industriegipfel in Belgien. Sie will Regeln für die Wirtschaft lockern und grüne Technologien fördern. © Virginia Mayo/dpa

Brüssel – Das EU-Lieferkettengesetz soll später gelten und deutlich weniger Unternehmen sollen Bericht über ihre Nachhaltigkeit erstatten müssen: Um Europas Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen, will die EU-Kommission Unternehmen entlasten und packt dafür unter anderem hausgemachte Vorgaben an. Während die einen dafür ein Lob aussprechen, kritisieren andere ein Vorgehen mit der „Kettensäge“.

Welche Entlastungen sind geplant?

Deutlich weniger Unternehmen in der EU sollen künftig Angaben über die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft machen müssen. Demnach sollen nur noch große Firmen – und damit 20 Prozent der bislang verpflichteten Betriebe – über ihre Nachhaltigkeit berichten müssen. Damit will die Kommission vor allem kleine und mittlere Unternehmen entlasten. Neben den Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung will die Behörde auch das EU-Lieferkettengesetz sowie Vorgaben zu nachhaltigen Investitionen lockern. Die EU-Länder und das Europaparlament müssen nun über die vorgeschlagenen Lockerungen geltender Gesetze beraten.

Was passiert mit dem Lieferkettengesetz?

Neben einer Verschiebung der ersten Umsetzungsfristen um ein Jahr auf 2028 soll das Vorhaben auch inhaltlich angepasst werden. So sollen Unternehmen in der Regel nur noch für Aktivitäten direkter Geschäftspartner verantwortlich sein. Zudem werden mögliche Mindeststrafen und Haftungsrisiken für Unternehmen entschärft.

Wie sind die Reaktionen?

Vor allem am letzten Punkt gibt es große Kritik. Mit ihrem Vorschlag „legt die Kommission die Kettensäge an die Lieferkettenrichtlinie, noch bevor sie zur Anwendung kommt“, sagt Armin Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor. Betroffene etwa von Menschenrechtsverletzungen hätten keine Chance mehr, über Zivilgerichte Schadenersatz und Wiedergutmachung zu erlangen. „Ohne wirkungsvolle Durchsetzungsmechanismen, wie die zivilrechtliche Haftung, werden Handlungspflichten wirkungslos“, teilte der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten René Repasi mit. Lob kommt dagegen aus der Industrie.

Wie will die EU der Wirtschaft helfen?

Die EU will auch die Industrie unterstützen. Aus einem ebenfalls gestern in Brüssel vorgelegten Maßnahmenpaket geht hervor, dass der Fokus künftig auf energieintensiven Industriezweigen und sauberen, grünen Technologien („clean-tech“) wie zum Beispiel Windrädern liegen soll. In dem sogenannten Clean Industrial Deals (CID, „Saubere-Industrie-Deal“) kündigt die Kommission für die nächsten Monate und Jahre mehrere Gesetze beziehungsweise Gesetzesänderungen an. So sollen unter anderem EU-Vorgaben für öffentliche Aufträge überarbeitet werden. Davon könnten europäische Firmen profitieren. Auch will die EU-Kommission künftig Staatshilfen für eine klimafreundliche Industrie schneller genehmigen.

Ist das ein Kurswechsel?

Legte die EU-Kommission in der letzten Wahlperiode mit dem „Green Deal“ noch ein beispielloses Maßnahmenpaket vor allem für einen drastischen Rückgang der Treibhausgasemissionen auf den Tisch, steht nun die Industrie klar im Fokus. An den Klimazielen der EU wird jedoch festgehalten.

Was ist mit den Energiepreisen?

Der Aktionsplan setzt etwa auf mehr langfristige Verträge, um Preisschwankungen entgegenzuwirken. Zudem soll es schnellere Genehmigungen für grünen Strom, mehr Verbindungsleitungen und mehr grenzüberschreitenden Handel geben, um die Preise zu senken. Ziel sind Einsparungen für Industrie und Haushalte in Höhe von 45 Milliarden Euro im laufenden Jahr, die dann bis 2030 schrittweise auf 130 Milliarden Euro jährlich erhöht werden sollen. Bis 2040 sollen Einsparungen in Höhe von 260 Milliarden Euro pro Jahr erreicht werden.

Woher soll das Geld kommen?

Für die grüne Transformation sind laut EU dreistellige Milliardeninvestitionen in Energie, Industrie und Transport nötig. Neben öffentlichen Mitteln soll vor allem privates Kapital genutzt werden. Über das langfristige EU-Finanzierungsprogramm InvestEU könnten Garantien im Wert von bis zu 28,6 Milliarden Euro vergeben werden, 2,5 Milliarden Euro mehr als ursprünglich geplant. Damit will die Kommission mindestens 50 Milliarden Euro an privaten Investitionen mobilisieren. Mit den Garantien aus dem EU-Haushalt sichert InvestEU Kredite der Europäischen Investitionsbank und anderen Finanzinstituten ab.

Wie geht es jetzt weiter?

Mit den Vorschlägen für neue Gesetze müssen sich nun die Regierungen der Mitgliedstaaten und das Europaparlament beschäftigen. Wenn sie nicht zustimmen, können sie nicht umgesetzt werden.

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