Baustelle Bahn: Mit über 40 Generalsanierungen (hier die Riedbahn bei Biblis/Hessen im vergangenen Jahr) will das Unternehmen aus der Krise finden. © dpa
Berlin/München – Die Deutsche Bahn, so sagt es der Chef selbst, befindet sich „in der größten Krise seit der Bahnreform“. Aber Richard Lutz lässt sich das bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2024 nicht anmerken. „Ich leide jeden Tag ein Stück weit mit“, bekennt er, doch der Job „,macht nach wie vor Spaß“. Kein Rücktrittsgedanke – obwohl in einem Papier der Koalitions-Unterhändler von Union und SPD von einer „Neuaufstellung“ auch des Vorstands die Rede ist. Trotz Nachfragen verkneift sich Lutz jeden Kommentar dazu.
Dunkle Wolken also ziehen auf, und auch die Zahlen, die Lutz am Donnerstag in Berlin vorliegt, sind ernüchternd. Erneut schrieb der Konzern 2024 rote Zahlen, allerdings mit 333 Millionen Euro erheblich weniger als im Jahr zuvor (2,2 Milliarden). Auch der Schuldenstand sank 2024 um 1,4 auf jetzt 32,6 Milliarden Euro leicht. Weiter reduziert werden soll der Schuldenberg durch den Verkauf des Logistikers DB Schenker für über 14 Milliarden Euro an den dänischen Konzern DSV – Ende 2025 soll das Minus auf 26 bis 28 Milliarden Euro sinken, sagt Finanzvorstand Levin Holle. Theoretisch könnte der Rückgang noch stärker, auf 22 Milliarden, ausfallen. Unter anderem Pensionsrückstellungen verhindern dies.
Sorgenbahn Nummer 1 bleibt der Fernverkehr. Die ICE-Flotte fuhr 2024 ein Minus von 96 Millionen Euro ein. Obwohl nun alle 137 neuen ICE-4-Züge ausgeliefert sind, macht Bahnchef Lutz wenig Hoffnung, dass sich die Pünktlichkeit deutlich erhöht. Bei der Bilanz im vergangenen Jahr hatte er noch gehofft, die Pünktlichkeit der ICE von 64 auf 70 Prozent steigern zu können. Eingetreten ist das Gegenteil: Nur 62,5 Prozent der Züge erreichten 2024 ihr Ziel mit weniger als sechs Minuten Verspätung. Bei der neuen Prognose ist der Konzern nun extrem vorsichtig, verspricht nur eine Verbesserung „in einem Korridor von 65 bis 70 Prozent“. Für 2027 liegt das Ziel bei 75 bis 80 Prozent.
Erfreulich ist, dass DB Regio unter der neuen Chefin Evelyn Palla – die Südtirolerin wird gelegentlich schon als Nachfolgerin für Lutz genannt – den Sprung in die Gewinnzone schaffte. Lutz führt es auch auf das Deutschlandticket zurück, dass die in Personenkilometern ausgewiesene Verkehrsleistung bei S-Bahnen und Regionalzügen gleich um 7,7 Prozent anzog. Weiter dramatisch ist indes die Lage bei der Güterbahn: Die DB Cargo häufte 2024 einen Verlust von 357 Millionen Euro an, was vor allem am verlustreichen Einzelwagenverkehr liegt, wie Holle sagt. Bis 2026 muss DB Cargo in den schwarzen Zahlen fahren, sonst droht auf Druck der EU eine Rückzahlung von Beihilfen. Ob die von der GDL wegen ihres Sparkurses heftig angegriffene Cargo-Chefin Sigrid Nikutta das verhindern kann, ist offen.
Der Weg aus der Krise führe nur über eine sanierte Schiene, sagte Lutz. Die Bahn will mit ihrem Programm „S3“ – das Kürzel steht für die Sanierung von Infrastruktur, Betrieb und Wirtschaftlichkeit – bis 2027 13 Strecken generalsanieren. Darunter sind auch Nürnberg–Regensburg, Obertraubling–Passau und Rosenheim–Salzburg. 200 Alt-Stellwerke sollen ersetzt werden.
Mit Geld aus dem Sondervermögen für Infrastruktur werden bis 2030 dann 40 Hochleistungskorridore saniert. Insgesamt betrage der Investitionsbedarf bei der Bahn 150 Milliarden Euro, sagt Lutz. Sparen muss der Konzern auch: Bis Ende 2027 sollen 10 000 der über 200 000 Stellen wegfallen. Betriebsdingte Kündigungen sind aber ausgeschlossen. Der achtköpfige Vorstand verdiente trotz der Krise 2024 insgesamt über zehn Millionen Euro, Chef Richard Lutz davon 2,17 Millionen.