Europa rechnet mit dem Schlimmsten

von Redaktion

Washington – US-Präsident Donald Trump feiert es als Befreiungstag, für die Europäer dürfte es die nächste Eskalationsstufe im Handelsstreit mit den USA sein: Trump will heute neue weitreichende Zölle verhängen. Seit Wochen fiebert der Republikaner auf den von ihm so bezeichneten „Liberation Day“ für die USA hin und schimpft dabei vor allem auf die Europäische Union. Er verweist dabei auf den Handelsüberschuss der EU gegenüber Amerika.

Was plant Trump?

Ganz klar ist das nicht. Trump spricht von wechselseitigen Zöllen. Das bedeutet im Prinzip, dass die USA überall dort Zölle anheben, wo sie derzeit weniger verlangen als ihre Handelspartner. Trump kündigte auch an, andere Handelshemmnisse in den Blick zu nehmen – etwa strenge Einfuhrvorgaben oder Subventionen. Er will das Handelsungleichgewicht korrigieren und die USA als Produktionsstandort stärken. Zuletzt deutete sich an, dass der 78-Jährige einfach pauschale Zölle verhängen könnte. Das würde bedeuten, dass die Abgaben nicht auf einzelne Waren oder spezifische Branchen beschränkt würden. Von den Zöllen werde kein Staat verschont bleiben, sagte er etwa am Wochenende.

Was erwartet die EU?

In Brüssel wird mittlerweile mit dem Schlimmsten gerechnet – also damit, dass Trump auf alle Importe aus Europa pauschale Zusatzzölle in Höhe von 20 oder sogar 25 Prozent verhängen könnte. Immer noch unangenehm, aber gesamtwirtschaftlich nicht ganz so folgenreich wären gezielte Zölle auf bestimmte Produkte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geht davon aus, dass die USA Sonderzölle auf die Einfuhr von Halbleitern, Pharmazeutika und Holz erheben.

Was heißt das für die deutsche Wirtschaft?

Die USA sind Deutschlands wichtigster Handelspartner noch vor China und den Niederlanden, wie Daten des Statistischen Bundesamts zeigen. Demnach wurden 2024 Waren im Wert von rund 253 Milliarden Euro zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gehandelt. Für die deutschen Exporteure seien die USA so wichtig wie nie in den vergangenen 20 Jahren, so das Statistische Bundesamt. Deutsche Firmen lieferten 2024 Waren im Wert von 161,4 Milliarden Euro in die USA, gut zehn Prozent aller Exporte. Umgekehrt wurden 2024 Waren im Wert von 91,4 Milliarden Euro aus Amerika importiert. Die Folge war ein deutscher Rekord-Handelsüberschuss von rund 70 Milliarden Euro mit den USA. Mit keinem anderen Land hat Deutschland seit 2017 so hohe Exportüberschüsse.

Kommen die Zölle, könnte Deutschland heuer in die Rezession rutschen, befürchtet man beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Welche Branchen sind besonders von den USA abhängig?

Nicht nur den deutschen Autobauern drohen mit den von Trump bereits angekündigten Sonderzöllen von 25 Prozent hohe Belastungen. Auch für die Pharmaindustrie sind neue US-Zölle gefährlich. Arzneimittel im Wert von 26 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel (23,2 Prozent) der deutschen Pharmaexporte gingen 2023 in die USA. Prozentual gesehen ist das noch mehr als im Maschinenbau (13 Prozent) und der Chemiebranche (7,2 Prozent), deren Produkte ebenfalls zu den wichtigsten deutschen Exportgütern in die USA zählen.

Wie könnten deutsche Unternehmen auf die neuen Zölle reagieren?

Es kursieren Schreckensszenarien, wonach deutsche Unternehmen im großen Stil in die USA abwandern könnten, um Zöllen zu entgehen. Simone Menne, Präsidentin der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, sieht aber hohe Hürden für Unternehmen. „Große Investitionen haben jahrelangen Vorlauf. Aus Deutschland abzuwandern, wäre für Unternehmen mit hohen Kosten verbunden“, sagte Menne. Viele deutsche Konzerne seien bereits stark in den USA präsent, sagte Menne. „Womöglich investieren sie dann vor Ort noch mehr.“ Unter anderem die Autobauer VW, BMW und Mercedes haben dort große Werke.

Wie wird die EU reagieren?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht erhebliche Gefahren. Konkret prognostiziert sie steigende Preise, Probleme in Lieferketten und das Risiko von Jobverlusten. Ein Sprecher sagte zuletzt in Brüssel, es würden Gegenmaßnahmen mit „maximaler Wirkung“ vorbereitet. Um dem US-Präsidenten konkrete Kalkulationen zu erschweren, schweigt sich die EU dazu aus. Bereits angekündigt ist, dass Mitte April die derzeit ausgesetzten Sonderzölle auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter wieder eingeführt werden. Die EU-Kommission argumentiert, dass die USA mehr Dienstleistungen in die EU verkaufen als umgekehrt. Grund sind vor allem die großen amerikanischen Techkonzerne. Berücksichtige man sowohl Waren als auch Dienstleistungen, gebe es nur einen geringen Überschuss von 48 Milliarden Euro, so die Kommission. Das entspreche drei Prozent des gesamten Handels zwischen den USA und der EU. JULIA NAUE

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