Für den künftigen Güterverkehr müssten einige Bedingungen erfüllt sein, wie MAN-Chef Alexander Vlaskamp (re.) dem EU-Kommissar Apostolos Tzitzikostas erläutert. © Foto: A. Boer / MAN
München – Autonom und elektrisch fahren: Der Nutzverkehr in Europa steht vor einer doppelten Revolution. Schon im Jahr 2030 könnten Trucks weite Teile des Güterverkehrs auch ohne Fahrer abwickeln. Und angetrieben von Elektromotoren – wenn die Infrastruktur Schritt hält.
Der 510-PS-Dieselmotor auf dem Testgelände von MAN an der Karlsfelder Straße in München arbeitet hörbar. Die TGX-Sattelzugmaschine steht nur für einen Teil der Nutzfahrzeug-Zukunft: Sieben Lidar-Sensoren (Lidar gilt als Schlüsseltechnologie fürs autonome Fahren), zwei Radar-Antennen und zahlreiche Kameras sorgen dafür, dass die schwere Maschine bei Weitem mehr kann, als sie bisher darf: mit einem Fahrer in Bereitschaft auf klar definierten Autobahn-Teilstücken selbstständig fahren.
Apostolos Tzitzikostas, EU-Kommissar für nachhaltigen Verkehr und Tourismus, sitzt auf dem Beifahrersitz. So umrundet der Sattelzug den Testparcours. Ohne Einwirken des anwesenden Fahrers, aber deutlich hörbar.
Es klingt ganz anders, als Tzitzikostas selbst am Steuer des daneben stehenden blaugrauen eTGX Platz nimmt. Nur ein Säuseln ist zu hören, als der Kommissar zunehmend selbstbewusst zweimal elektrisch die Runde dreht.
Elektrifizierung und Automatisierung. Es geht um zwei Technologien, die schon in naher Zukunft zusammenwachsen sollen. Ab 2030 sollen entsprechend gerüstete Fahrzeuge große Teile des Güterverkehrs selbstständig abwickeln. Von Hub to Hub, also zwischen Umladestationen in unmittelbarer Autobahnnähe, könnten sie ohne Fahrer agieren.
Im Idealfall werden sie auch noch elektrisch angetrieben. Dann könnten viele Lärmschutz-Beschränkungen nicht mehr zu halten sein – Nachtfahrverbote etwa oder Blockabfertigung.
Die Demonstration auf dem Testgelände hat einen Hintergrund. MAN Chef Alexander Vlaskamp will ein klares Signal in Richtung Brüssel senden: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, werden aber vielleicht trotzdem betraft.“
Die Fahrzeuge für klimaneutrales Fahren stehen bei MAN bereit. Den Herstellern drohen aber hohe Zahlungen, wenn ihre Kunden das Angebot nicht nutzen. Die Strafen fürs Nichterreichen der EU-CO2-Ziele seien 25 Mal so hoch wie im Pkw-Bereich, so Vlaskamp.
Er drängt daher auf eine schnelle Neubewertung der CO2-Regulierung. „Diese Strafen würden die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie gefährden, dringend benötigte Investitionen in Innovationen behindern und damit mittelfristig viele Jobs in Europa kosten.“ Es liege aber nicht mehr in der Hand der Hersteller, ob wir die Klimaziele erreichen.
Noch ein zweites Problem brennt den Nutzfahrzeug-Herstellern auf den Nägeln. Es gebe in Europa gerade einmal 1200 Ladepunkte für Nutzfahrzeuge. Ein winziger Bruchteil dessen, was nötig wäre. Vlaskamp: „Bis 2030 benötigen wir 50 000 Ladepunkte, darunter 30 000 mit einer Ladeleistung im Megawattbereich.“
MARTIN PREM