Kartenzahlungen sind beliebt. Der Bund könnte sie zum Pflichtprogramm machen, um Steuerhinterziehung zu erschweren. © Imago
Berlin – Union und SPD wollen Gewerbetreibende dazu verpflichten, neben Bargeld auch elektronische Zahlungsmittel zu akzeptieren. „Wir setzen uns für eine echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein“, sagte der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi der „Welt am Sonntag“. Demnach soll schrittweise die Verpflichtung eingeführt werden, mindestens eine digitale Zahlungsoption anzubieten. In der Union werden die Pläne bestätigt.
Die Forderung steht bereits im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe Haushalt, Steuern, Finanzen, das unserer Zeitung vorliegt. Beide Seiten wollen das in den Koalitionsvertrag übernehmen. Schrodi begründet das auch mit dem Anliegen, Steuergesetze effektiver durchzusetzen. „Unser Ziel ist es, in bargeldintensiven Bereichen wie beispielsweise der Gastronomie den Steuerbetrug zu bekämpfen und so die vielen steuerehrlichen Unternehmer zu schützen“, sagt er. Dazu solle es auch eine allgemeine Registrierkassenpflicht geben.
In der Union ist die Euphorie geringer. Es sei richtig, digitaler zu werden, aber „alles mit Maß und Ziel“, sagt die CSU-Finanzpolitikerin Mechthilde Wittmann, die den Passus mitverhandelte, auf Nachfrage. Das nur schrittweise umzusetzen, sei der CSU wichtig, gerade auch mit Blick auf Wochenmärkte am Land und auf bewirtschaftete Almen. Wittmann ist zudem verärgert über Schrodis öffentliches Vorpreschen dazu und kritisiert einen Gastro-„Generalverdacht“.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) warnt vor Mehrbelastungen. Positiv äußerte sich die Deutsche Steuergewerkschaft. „Wenn jeder mit Karte zahlen würde, wären die Steuereinnahmen sehr viel höher“, sagte deren Bundesvorsitzender Florian Köbler. Schätzungen zufolge entgehen dem Staat in bargeldintensiven Branchen durch Steuerhinterziehung jährlich zehn bis 15 Milliarden Euro an Umsatz- und Gewinnsteuern. Zusätzlich gehen laut „Wams“ Lohnsteuern und Sozialabgaben verloren, wenn Mitarbeiter schwarz bezahlt werden. Der vermutete Gesamtschaden liege bei bis zu 70 Milliarden Euro im Jahr.
Der Einzelhandelsverband in Bayern steht der Kartenzahlung grundsätzlich positiv gegenüber, kritisiert aber den Plan zur Pflicht: „Wir sehen, dass die Kunden heute bar und mit Karte bezahlen wollen“, erklärt Sprecher Bernd Ohlmann. Schon heute habe die Karte das Bargeld in seiner Bedeutung überholt. Die Händler reagieren: „Wir haben in Bayern rund 165 000 herkömmliche Kassen und 130 000 elektronische Bezahlterminals“. An 75 000 davon könne man sogar kontaktlos bezahlen. Der Großteil der Betriebe fährt also zweigleisig. Es sei ein Gerücht, dass die digitale Abwicklung für die Händler teurer sei. „Das war früher so“, sagt Ohlmann. Bei 100 Euro Umsatz lägen die Gebühren zwischen 19 Cent und einem Euro. „Es ist wie bei einem Handyvertrag: Man bucht sich ein Angebot, dass zum eigenen Verbrauch passt.“ Man müsse bedenken: „Für Bargeld braucht man Personal zum Zählen und Abholen, außerdem kann es Fehlbeträge geben. Das alles fällt bei der elektronischen Zahlung weg.“ Er kritisiert aber die geplante Pflicht: „Wir hören immer die Sonntagsreden, dass die Politiker Bürokratie abbauen wollen, und dann kommt wieder eine Verordnung.“ Auch Anschaffung und Betrieb eines Terminals koste Geld. „Der Handel ist in Bayern sehr mittelständisch geprägt. Gerade in Zeiten von Handelskriegen und Kaufzurückhaltung brauchen die Betriebe nicht noch mehr Belastung.“
MATTHIAS SCHNEIDER
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER