Berlin/Brüssel – Europas Außengrenze – plötzlich in Alaska und quer durch die Niagara-Fälle? Ein bizarr klingender Vorstoß aus der SPD geistert durch die USA-Polit-Debatte. Der frühere Außenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel fordert seit Tagen in allerlei Interviews, Kanada in die EU aufzunehmen. „Ich würde den Kanadiern anbieten, Mitglied der Europäischen Union zu werden“, sagte der SPD-Politiker dem Bremer „Weser-Kurier“.
Hintergrund sind Drohungen von US-Präsident Donald Trump, das wohlhabende Kanada den USA einzugliedern. Sigmar Gabriel, Chef der „Atlantik-Brücke“, will da spektakulär kontern. Ohnehin sei Kanada europäischer als manches EU-Mitglied, sagt der SPD-Politiker, der bis 2018 Vizekanzler war. Europa müsse „dagegenhalten“. Rechtlich ist das aber auf dünnem Eis. Laut Artikel 49 des Vertrags über die EU kann jedes europäische Land einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Das trifft auf Kanada auf der anderen Seite des Atlantiks doch eher nicht zu.
Das politische Echo ist verhalten. „Ein vollständiger EU-Beitritt Kanadas klingt schön, ist aber weder realistisch noch vertraglich machbar“, sagte die FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann der Funke-Gruppe. Sie verwies außerdem auf CETA, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das seit 2017 vorläufig in Kraft ist. Es soll für mehr Handel und weniger Bürokratie sorgen. Dieses Abkommen „sollten wir weiter ausbauen und vertiefen“, betonte Strack-Zimmermann.
Ähnlich argumentiert Manfred Weber, Partei- und Fraktionschef der bürgerlich-konservativen EVP-Parteienfamilie in Europa. Auch er sieht den Fokus auf Handelsabkommen, nicht auf einem Beitritt. „Wir müssen Handelspolitik gerade heute auch geopolitisch denken“, sagte Weber unserer Zeitung. „Wir brauchen ein Ceta 2, um gerade bei Innovation und Verteidigungsprodukten noch besser zusammenzuarbeiten.“
Eine Stellungnahme aus Kanada gibt es noch nicht. Der neue Ministerpräsident Mark Carney, gerade im Wahlkampf, sagte Mitte März bei einem Treffen mit Frankreichs Staatschef Macron, dass Kanada „das europäischste aller nicht europäischen Länder“ sei. Und in diesen Zeiten sei es wichtig, seine Verbindungen zu verlässlichen Verbündeten auszubauen. „Ein interessantes Gedankenexperiment“, befand die größte Tageszeitung „Toronto Star“, „aber hoch unwahrscheinlich“.
FRANZISKA WEBER