Marode Brücken und hoher Sanierungsstau: Erst im September 2024 stürzte die Carolabrücke in Dresden in Teilen in die Elbe. © Robert Michael/dpa
Berlin – Der Bund unterschätzt den Sanierungsstau bei maroden Brücken in Deutschland einer Erhebung zufolge deutlich. Insgesamt sind laut der Organisation Transport & Environment (T&E) rund 16 00 Brücken in Bundeshand baufällig. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen nach T&E-Berechnungen bis zu 100 Milliarden Euro in den Ersatzneubau von Brücken investiert werden. Das Verkehrsministerium teilte auf Anfrage mit, dass die genannte Zahl der 16 000 Brücken nicht nachvollziehbar sei.
Schon jetzt führt die überalterte Infrastruktur dazu, dass Bauwerke immer wieder kurzfristig gesperrt werden müssen. Jüngstes Beispiel ist die sogenannte Ringbahnbrücke auf der A 100 im Westen Berlins. Sie ist seit Mitte März dicht, weil sich ein Riss im Tragwerk vergrößert hatte. Derzeit wird das Bauwerk von 1963 abgerissen – dann soll ein Neubau folgen. Wann die neue Brücke steht, ist offen.
„Dass viele Brücken im deutschen Straßennetz in einem schlechten Zustand sind, war schon lange absehbar“, schreibt T&E in dem Bericht, der der dpa vorliegt. „Viele Brücken, oft in den 1970-er Jahren gebaut, sind ursprünglich auf eine geringere Belastung ausgelegt worden.“ Auf kommunaler Ebene ist die Carolabrücke in Dresden der wohl prominenteste Fall. Die Brücke stürzte im September 2024 in Teilen in die Elbe.
T&E bemängelt vor allem, dass das Verkehrsministerium in seinem Brückenmodernisierungsprogramm von 2022 nicht das gesamte Autobahnnetz in den Blick nimmt. Dem Sanierungsplan des Ministeriums zufolge sollen in einem Zeitraum von zehn Jahren 4000 Brücken im Kernnetz stark belasteter Autobahnen saniert werden. Langfristig sollten weitere 4000 Autobahnbrücken folgen. Eine Sprecherin des Verkehrsministeriums sagte: „Aufgrund der großen Anzahl und um die vorhandenen Ressourcen bestmöglich einzusetzen, ist eine Priorisierung notwendig.“
T&E kommt auf deutlich höhere Zahlen als das Ministerium: „Insgesamt müssen 5905 Brücken, 24 Prozent der Brückenfläche im Bundesfernstraßennetz, ersetzt werden. Weitere 10 240 Brücken sind so stark belastet, dass wahrscheinlich ein Ersatzneubau nötig ist, eventuell kann allerdings auch durch Verstärkung Abhilfe geschaffen werden.“
Dabei sei der Zustand der Brücken nicht überall gleich schlecht. Besonders betroffen seien die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. In Nordrhein-Westfalen sei der Anteil der Brückenfläche, die neu gebaut werden müsse, doppelt so hoch wie in Bayern. Die Brücken in den ostdeutschen Flächenländern seien hingegen „zu großen Teilen in den 90-er Jahren errichtet und schon damals auf höhere Verkehrslasten ausgelegt“ worden.
Das Verkehrsministerium hinke nun jedoch „den Notwendigkeiten so weit hinterher, dass die Autobahn GmbH inzwischen eine Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken durchführt“, sagte Benedikt Heyl von T&E Deutschland. „Das ist absurd und teuer, denn jede verschleppte Sanierung kostet in Zukunft noch viel mehr.“
T&E fordert von der künftigen Bundesregierung unter anderem, dass Bund und Länder den Kommunen mehr Geld für die Infrastruktur geben müssten. Zudem müssten Sanierung und Instandhaltung Vorrang vor Neubau haben. Dieser Forderung schloss sich die Grünen-Haushälterin Paula Piechotta an. „Wie viele Mahnungen und Studien braucht es noch, bis auch die Letzten bei Union und SPD begriffen haben, dass es künftig einzig und allein um Sanierung der Straßen statt um Neubau gehen muss?“, sagte sie. Erhalt sei das Gebot der Stunde.