Schnäppchen bei Nebenwerten

von Redaktion

Kommt jetzt die Bullen-Zeit für Nebenwerte? Experten sehen sie als unterbewertet an. Auch der MDax könnte von niedrigeren Zinsen profitieren. © Arne Dedert/dpa

Wer die Wirtschafts- und Börsenberichterstattung verfolgt, stellt fest, dass es meist um die großen Konzerne und damit um die Mitglieder der bekannten Indizes wie den Dax oder den US-Leitindex S&P 500 geht. Dagegen führen Nebenwerte, Titel mit geringer Marktkapitalisierung aus dem MDax oder dem US-Nebenwerteindex Russel 2000, oftmals eher ein Schattendasein.

Aber auch in Sachen Wertentwicklung enttäuschten die sogenannten Small- und MidCaps zuletzt. Während der MDax auf Sicht von drei Jahren ein Minus von neun Prozent aufweist, legte der Dax über 62 Prozent zu. Kaum anders stellt sich die Situation weltweit da. Während der MSCI World Small Cap in Dollar gerechnet im gleichen Zeitraum knapp fünf Prozent pro Jahr zulegte, brachte es der MSCI World auf einen doppelt so starken Wertzuwachs.

Dass Nebenwerte zuletzt enttäuschten, dürfte vor allem einen Grund haben: Sie litten stärker unter den ab Mitte 2022 stark gestiegenen Zinsen. Dazu kam der Hype um die Künstliche Intelligenz, weswegen viel Kapital in die führenden Technologiekonzerne floss. All das hat zu der skizzierten schwachen Wertentwicklung bei Nebenwerten beigetragen.

Doch könnte sich das in nächster Zeit ändern. Da ist zunächst die Geldpolitik. Sieben Mal hat die Europäische Zentralbank seit Juni vergangenen Jahres den Leitzins gesenkt und weitere Zinsschritte nach unten sind zu erwarten. „Kleine Unternehmen profitieren aber von sinkenden Fremdkapitalkosten, denn sie haben in der Regel einen höheren Anteil an variabel verzinsten Schulden als Unternehmen mit größerer Marktkapitalisierung“, erläutern die Experten von BNP Paribas in einem Marktkommentar. Das heißt, die Kurse von Nebenwerten könnten auf die Zinssenkungen stärker reagieren als die der großen Konzerne.

Dazu kommt die politische Entwicklung, insbesondere hierzulande. „Erfahrungsgemäß weist der MDax, dessen Firmen anders als die Dax-Unternehmen insgesamt stärker auf das Inland ausgerichtet sind, eine höhere Korrelation zum deutschen Wirtschaftswachstum auf“, erklärt Maximilian Kunkel, Chefanlagestratege der UBS. „Kommt es unter der neuen Bundesregierung zu einem verbesserten Umfeld, wozu Steuersenkungen, ein Abbau der Bürokratie, aber auch Deregulierung und eine Entlastung bei den Energiekosten zählen, dann könnte dies zu einem binnenwirtschaftlichen Aufschwung führen.“

Und das wiederum könnte Nebenwerteindizes wie den MDax, aber auch europäische Small- und MidCaps insgesamt anschieben. „Denn aktuell weisen europäische Nebenwerte einen Bewertungsabschlag gegenüber dem Dax auf, der auf dem höchsten Stand der vergangenen 20 Jahre ist“, meint Kunkel.

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist zwar unklar, ob und wie viele Zinssenkungen die US-Notenbank angesichts der hartnäckigeren Inflation in diesem Jahr noch durchführen wird. Dennoch sind auch hier viele Experten für Small- und Mid-Caps derzeit optimistisch. Anlagestratege Michael Dembro von MFS Investment Management etwa ist der Ansicht, dass sie als Gewinner unter der neuen Regierung gelten dürften, da Donald Trump angekündigt hat, die Steuern zu senken und die Märkte zu deregulieren.

Dies ist zwar noch nicht geschehen, sollte es aber so weit sein, könnten sich kleinere US-Firmen, die üblicherweise eher auf den Binnenmarkt ausgerichtet sind, besser entwickeln. Tatsächlich kletterte der Russel 2000 kurz nach der Präsidentschaftswahl im November um zehn Prozent. Zwar ist die Euphorie wieder verflogen, dennoch zeigt dies, welches Potenzial in US-Nebenwerten stecken kann.

Das gilt umso mehr, da sie – ebenso wie deutsche Nebenwerte – einen Bewertungsabschlag aufweisen. Dazu kommt, dass die Analysten ein insgesamt kräftiges Gewinnwachstum für die Unternehmen im Russel 2000 erwarten. Laut BNP Paribas gehen die Analysten insgesamt – ohne Berücksichtigung der Firmen, die Verluste machen – davon aus, dass das Gewinnwachstum in 2025 bei 42 Prozent und in 2026 bei 36 Prozent liegen wird. Historisch betrug es lediglich 15 Prozent.

Es könnte sich also aktuell lohnen, dem Aktienportfolio verstärkt Nebenwerte beizumischen. Zwar gelten sie als riskanter, weil sie eine geringere Marktliquidität aufweisen und damit gerade in Krisenzeiten stärkere Verlustrisiken bergen. Dafür aber belegen zahlreiche Studien deren langfristig bessere Wertentwicklung. Das hat damit zu tun, dass Nebenwerte weniger im Fokus der Analysten, der Investoren und der Öffentlichkeit stehen, insgesamt als flexibler und innovativer gelten und oft auch schneller wachsen.

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