München – In Bayern arbeiten relativ gesehen weniger Menschen zu geringen Löhnen als in anderen Bundesländern. Das geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Forschungsinstituts IW Köln im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hervor. Demnach lag der Anteil der Geringverdiener an der Gesamtzahl der Beschäftigten im Jahr 2022 im Freistaat bei 16,3 Prozent (siehe Grafik) – der bundesweite Durchschnitt lag bei 18,2 Prozent. „Die Größe des Niedriglohnsektors ist im Zeitverlauf zurückgegangen, weil der Beschäftigungsaufwuchs in den vorangegangenen 15 Jahren insbesondere auf die Beschäftigung oberhalb der Niedriglohnschwelle zurückzuführen ist“, schreiben die Studienautoren.
Über alle Bundesländer hinweg gilt: Frauen arbeiten häufiger im Niedriglohnsektor als Männer. In Bayern ist der Frauenanteil besonders hoch. Im Freistaat sind drei Viertel der Niedriglohnbeschäftigten (76,7 Prozent) laut der Studie weiblich. „Der bayerische Niedriglohnsektor wird durch das hohe Gewicht von Teilzeit- beziehungsweise geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen geprägt, die überproportional häufig von Frauen ausgeübt werden“, heißt es in der Studie.
Die Autoren kommen außerdem zu dem Ergebnis, dass es in Bayern vergleichsweise leicht ist, den Niedriglohnsektor wieder zu verlassen. 29,1 Prozent der Geringverdiener ist demnach innerhalb eines Jahres der Aufstieg in ein höheres Lohnsegment gelungen – im bundesweiten Durchschnitt lag die Aufstiegsquote bei 26,2 Prozent. Dies sei auf „günstige bayernspezifische Faktoren“ zurückzuführen, schreiben die Autoren. Dazu zähle zum Beispiel ein überdurchschnittliches Lohnniveau in Bayern, aber auch die Fähigkeit bayerischer Unternehmen, die betreffenden Arbeitnehmer produktiv einzusetzen.
„Damit wird klar, dass der Niedriglohnsektor nichts Prekäres ist, das es zu bekämpfen gilt, sondern für viele eine Chance“, meinte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Die hohe Durchlässigkeit zeige auch, wie robust der bayerische Arbeitsmarkt sei. „Die künftige Bundesregierung muss den Arbeitsmarkt weiter flexibilisieren“, forderte er.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) widersprach: „Der Niedriglohnsektor ist kein Sprungbrett, sondern für viel zu viele Beschäftigte eine Sackgasse“, betonte der Vorsitzender des DGB Bayern, Bernhard Stiedl. Statt den Arbeitsmarkt immer weiter zu deregulieren brauche es mehr Tarifbindung und existenzsichernde Löhne. „Wer heute wenig verdient, ist morgen von Altersarmut bedroht“, warnte der Gewerkschafter.
SEBASTIAN HÖLZLE