„Gefangen in der Dauerstagnation“

von Redaktion

Produktion in Neutraubling (Oberpfalz): Die Unternehmen im Freistaat haben offenbar wenig Hoffnung, dass sich unter Bundeskanzler Friedrich Merz viel ändert. © Armin Weigel, dpa

München – Die neue Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) ist im Amt, der Koalitionsvertrag steht, die Wirtschaft soll wieder wachsen – und trotzdem bleibt die Stimmung in den Chefetagen bayerischer Firmen schlecht. „Wir sehen nicht einmal den Hauch eines Aufschwungs“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) gestern in München und verwies auf die jüngste Umfrage der Kammern unter 3400 Firmen im Freistaat. Die Wirtschaft sei gefangen in einer „Dauerstagnation“.

Dreimal im Jahr werden bayerische Unternehmen zur aktuellen Geschäftslage und zu ihren Zukunftserwartungen befragt, die Umfrageergebnisse bilden die Grundlage für den BIHK-Konjunkturindex. Der Index gibt an, ob die Stimmung in der bayerischen Wirtschaft gut oder schlecht ist.

Und das Ergebnis der jüngsten Umfrage legt nah: Die Stimmung bessert sich kaum. Zwar sei der Index zu Jahresbeginn leicht um fünf Punkte auf 104 Punkte gestiegen, sagte Gößl. Dennoch liege der Index seit Herbst 2023 klar unter dem langjährigen Durchschnitt. Anzeichen für einen Aufschwung gebe es nicht.

Zum Vergleich: Im Jahr 2018 pendelte der Index zwischen 130 und 140 Punkten. Diese Zeiten sind längst vorbei. Erst schlug die Corona-Krise zu, nach einem kurzen Aufschwung sackte die Stimmung während der Energiekrise ins nächste Tief – Index-Werte wie vor der Pandemie erscheinen inzwischen unerreichbar.

Zumal sich die Unternehmer mit immer mehr Risiken konfrontiert sehen: 65 Prozent der Befragten – also fast zwei Drittel – gaben an, dass die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein hohes Risiko für ihr Unternehmen seien. Ein Rekordniveau, wie Gößl betonte. Ein zentrales Risiko: Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump. Gößl sagte, die Firmen könnten durchaus mit Zöllen von zehn Prozent leben – sofern das planbar sei. Das Problem sei aber, dass völlig unklar sei, wie es in der Zollpolitik weitergehe, daher hielten sich die Unternehmen mit Investitionen zurück. „Abwarten ist derzeit die große Losung, weil man sich auf nichts verlassen kann.“

Gleichzeitig hadern die Unternehmen mit dem Standort Deutschland: 54 Prozent der Befragten gaben an, in den Arbeitskosten ein hohes Risiko zu sehen – auch das laut Gößl ein Rekordniveau. Den Firmen sei klar, dass die Lohnnebenkosten von aktuell 42 Prozent in Zukunft weiter steigen werden, sagte der BIHK-Chef, da die neue Bundesregierung weder in der Renten- noch in der Kranken- und Pflegeversicherung Strukturreformen plane.

Dass die neue Bundesregierung für einen Stimmungsumschwung sorgen könnte, ist offenbar unwahrscheinlich. „Der wirtschaftspolitische Schaden ist so groß, dass die Erwartungshaltung der Unternehmerinnen und Unternehmer nicht besonders hoch ist“, sagte BIHK-Präsident Klaus Josef Lutz. Verantwortlich für den „Schaden“ sind seiner Ansicht nach die Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) sowie die schwarz-rote Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Lutz bemängelte, im Koalitionsvertrag der neuen Regierung unter Merz sei vieles „diffus und offen“. Nötig sei dagegen ein Sofortprogramm für die ersten 100 Tage mit steuerlichen Anreizen für mehr Investitionen, Maßnahmen zum Bürokratieabbau, eine Senkung der Lohnnebenkosten sowie eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Aussagen lassen sich auch so deuten: Erfüllt die Merz-Regierung ihr Wachstumsversprechen nicht, bleibt die bayerische Wirtschaft in ihrer Dauerstagnation gefangen.

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