Kummer-Gutachten für den Kanzler

von Redaktion

Die „Weisen“ und ihr unerfreuliches Gutachten: Martin Werding, Achim Truger, Monika Schnitzer, Ulrike Malmendier und Veronika Grimm treten am Mittwoch vor die Bundespressekonferenz. © Sebastian Gollnow/dpa

Berlin – Stillstand statt Aufschwung: Die ersten Meter der neuen Bundesregierung werden von einer unangenehmen Experten-Prognose begleitet. Die „Wirtschaftsweisen“ senken ihre Konjunkturprognose und erwarten für 2025 nur eine Stagnation des Bruttoinlandsprodukts. Im Herbst hatte der Sachverständigenrat noch mit einem Wachstum von 0,4 Prozent gerechnet.

Die deutsche Wirtschaft sei weiter in einer „ausgeprägten Schwächephase“, teilte das fünfköpfige Gremium mit. 2026 könnte sich die Konjunktur etwas erholen mit einem Plus von einem Prozent. Doch ob Deutschland langfristig zurück in die Erfolgsspur findet, sei alles andere als sicher. Ganz neu ist dieser Befund nicht: Nach zwei Rezessionsjahren in Folge hatte vor einem Monat der damalige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Prognose der Regierung bereits heruntergeschraubt. Auch er hatte nur eine Stagnation erwartet.

Aus Sicht der „Wirtschaftsweisen“ bremst die Bürokratie das Wachstum. Auch die unberechenbare und sprunghafte Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump belaste die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Der beschleunigte Strukturwandel werde auch Branchen und Regionen erreichen, die wirtschaftsstark waren, steht im Frühjahrsgutachten – ein Hinweis an Bayern?

Den Arbeitsmarkt trifft das bereits. Die „Wirtschaftsweisen“ rechnen damit, dass die Arbeitslosenquote heuer auf 6,2 Prozent steigt. Die Inflation geht laut Prognose 2025 und 2026 weiter leicht zurück auf 2,1 und 2,0 Prozent. Diese Prognose sei allerdings noch „mit großer Unsicherheit behaftet“, so die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Handelskonflikte könnten die Preise erneut in Bewegung bringen – nach oben wie unten. Auch voluminöse Ausgabenprogramme der Bundesregierung könnten die inländische Nachfrage ankurbeln und die Preise schneller in die Höhe treiben.

Tatsächlich liegt hier auch eine der wenigen Hoffnungen im Kummer-Gutachten. Die Bundesregierung will die Wirtschaft entlasten. Für mehr Wachstum soll auch das 500 Milliarden schwere, kreditfinanzierte Paket für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz sorgen. Die Experten raten: Je mehr in zusätzliche öffentliche Investitionen fließe, desto größer die langfristigen Wachstumseffekte.

Um zu verhindern, dass die Paket-Mittel für Konsum oder für bereits fest verplante Haushaltsposten ausgegeben werden, fordern die „Wirtschaftsweisen“ die Regierung zu klaren Leitplanken auf. So solle gesetzlich festgeschrieben werden, dass mindestens zehn Prozent des Kernhaushalts in Investitionen fließen müssen. Mit Blick auf die aktuelle Etat-Aufstellung könne man da jedoch Sorgen und Zweifel haben, sagte die Ratsvorsitzende Monika Schnitzer vor einem Treffen mit Merz. „Wir werden gleich beim Mittagessen mit dem Kanzler darauf noch mal sehr deutlich hinweisen.“

Experten zufolge droht Deutschland mit dem Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur die EU-Schuldenvorgaben nicht einzuhalten. Die „Wirtschaftsweisen“ sind da gespalten. Während die Mehrheit des Gremiums zumindest die Möglichkeit sieht, dass Deutschland durch Investitionen Wachstumseffekte generieren kann und so die Schuldenstandsquote innerhalb der EU-Vorgaben halten kann, ist Grimm anderer Meinung. Sie warnt, dass der deutsche Schuldenstand weiter steigen wird.

Neben Investitionen in die Infrastruktur sehen die Ökonomen auch beim Bürokratieabbau erheblichen Nachholbedarf. Dieser müsse endlich Fahrt aufnehmen. Ziel sei es, nicht nur bestehende Auflagen zu verringern, sondern auch einem erneuten Bürokratieanstieg vorzubeugen. Allein die Bürokratiekosten durch bundesrechtliche Informationspflichten beziffern sie auf jährlich rund 65 Milliarden Euro, 1,7 Prozent aller in Deutschland geleisteten Arbeitsstunden gingen dafür drauf.

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