Kapital wandert nach Europa

von Redaktion

Auf den weltweiten Kapitalmärkten zählt die Frankfurter Börse in diesem Jahr bislang zu den Krisengewinnern – dank US-Präsident Trump.

Geld ist Vertrauenssache. An den weltweiten Finanzmärkten hat der US-Dollar an Ansehen eingebüßt. Das kommt dem Euro zugute. © dpa

München – Europas Börsen haben die US-Märkte in der ersten Hälfte 2025 erstmals seit vielen Jahren überholt. Internationale Investoren haben hohe Milliardenbeträge von den US-Märkten abgezogen und nach Europa verlagert. Hauptgrund der Kapitalflucht sind Zolldrohungen und erratische Kurswechsel von US-Präsident Donald Trump.

Europäische Hauptgewinner sind die Börsen in Deutschland, Spanien und Italien mit jeweils zweistelligen Kursgewinnen. Der Dax hat seit Jahresbeginn trotz der jüngsten Einbußen um etwa 16 Prozent zugelegt. Die US-Aktienmärkte hingegen verzeichneten nur magere Anstiege von weniger als zwei Prozent. „Zahlreiche Indizien deuten auf eine deutliche Bewegung von Investorengeldern aus den USA in Richtung Europa, aber auch in andere Regionen wie Japan hin“, sagt Ludovic Subran, bei der Allianz der Hauptverantwortliche für die Geldanlagen. Der Münchner Konzern zählt mit fast 2,5 Billionen Euro angelegten Kapitals zu den internationalen Größen der Zunft.

■ US-Aktien waren zu stark gewichtet

Zuvor war über Jahre das große Geld aus aller Welt an die US-Finanzmärkte geströmt. Eine Folge ist, dass Aktien in den USA gemessen an den Unternehmensgewinnen teuer sind, in Europa jedoch vergleichsweise günstig. „Kumuliert wird die Nettoposition an Portfolioinvestitionen in die USA per Ende 2024 mit rund 17 Billionen Dollar beziffert“, sagt Vincenzo Vedda, Global Chief Investment Officer bei DWS, dem Vermögensverwalter der Deutschen Bank. Auch die DWS ist mit gut einer Billion verwaltetem Vermögen ein Schwergewicht.

„Dies hat sich jetzt geändert“, sagt Vedda. „Aus einer kräftigen Übergewichtung der USA durch die Fondsmanager noch zum Jahresende 2024 ist so eine deutliche Untergewichtung geworden.“ Vedda nennt zwei Trends: „Erstens, die Wiederentdeckung Europas und seiner Aktien. Zweitens verspürten etliche Anleger den Drang, ihr US-Engagement zu reduzieren und stärker zu diversifizieren.

■ Bessere Perspektiven für die Alte Welt

Internationale Zahlungsbilanzen liegen noch nicht vor, aber publik sind die Zu- und Abflüsse bei ETF-Aktienfonds. BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels verweist auf Daten des US-Finanzinformationsdienstleisters Morningstar. Demnach flossen im ersten Quartal 2025 26 Milliarden. Euro in europäische Aktienfonds, nachdem es zuvor zwölf Quartale – also drei Jahre lang – Nettoabflüsse gegeben hatte. Im April und Mai strömten netto dann weitere 22 Milliarden Euro in europäische Fonds.

„Das gestiegene Interesse nach europäischen Aktien ist aber auch von mehr Zuversicht über die Perspektiven in Europa getragen“, meint Michels. Dazu hat nach Einschätzung des BayernLB-Chefvolkswirts das Fiskalpaket der neuen Bundesregierung beigetragen. „Vor diesem Hintergrund scheinen Investoren nicht mehr bereit, den historisch außergewöhnlich hohen Bewertungsaufschlag von US-Aktien gegenüber europäischen Aktien zu akzeptieren.“

Auffällig sind nicht nur die Aktienmärkte: Die USA zahlen derzeit deutlich höhere Zinsen von etwa 4,4 Prozent für zehnjährige Staatsanleihen als Italien mit 3,5 Prozent. Traditionell sind eher die italienischen Anleihen höher verzinst – der Risikoaufschlag für die hohe Verschuldung des Landes.

■ Große Schulden, hohe Zinsen

Die Verbindlichkeiten der Vereinigten Staaten haben sich in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdoppelt: von 18,1 Billionen Dollar im Herbst 2015 auf 35,4 Billionen im Herbst 2024, wie den Daten des US-Finanzministeriums zu entnehmen ist.

„Nichtsdestotrotz wird der US-Dollar mittelfristig weiterhin die dominierende Währung bleiben und US-Anlagen das Rückgrat der globalen Finanzwelt bleiben, nicht zuletzt aus Mangel an Alternativen“, sagt der Investmentchef der Allianz.

Da Trump seine ursprünglichen Zolldrohungen bislang nur in abgeschwächter Form in die Tat umgesetzt hat, hat auch die Furcht der Finanzmärkte vor eskalierenden Handelskriegen der USA mit dem Rest der Welt wieder etwas nachgelassen. Der US-Präsident hat sich mit seiner Neigung, nach martialischen Drohungen schnell wieder den Teilrückzug anzutreten, in der Finanzwelt den Spottnamen „Taco“ eingehandelt: „Trump always chickens out“, Trump kneift immer.

Artikel 3 von 10