Ölpreis sinkt – Kreml verliert vorerst

von Redaktion

Russisches Öl kann über die Schattenflotte auch über dem Preisdeckel verkauft werden. © Frank Molter/dpa

München – Auf Druck der USA haben Israel und der Iran zähneknirschend einer Waffenruhe zugestimmt. An den Märkten ist die Erleichterung groß, erklärt Linda Yu, Analystin bei der DZ-Bank: „Wir haben unsere Ölpreisprognose gesenkt und erwarten für den Rest des Jahres eine volatile Seitwärtsbewegung um die Marke von 65 US-Dollar pro Barrel“. Gestern Nachmittag waren es 67 Dollar. Die Risikoaufschläge sind damit abgeschmolzen.

„Durch die Waffenruhe in Nahost sind die geopolitischen Risken etwas in den Hintergrund getreten. Jetzt stehen die US-Zollpolitik und die Fördererhöhung der Opec+ im Fokus.“ Denn: „Im Juli läuft das Moratorium für die reziproken Zölle aus, das die Trump-Administration gewährt hatte. Daher wird mit neuen Zolldrohungen und einer erhöhten Verunsicherung an den Finanzmärkten zu rechnen sein.“

Die Gefahr höherer Ölpreise ist aber nicht gebannt: „Der Konflikt in Nahost ist nicht dauerhaft beendet. Das Grundproblem, das iranische Atomprogramm und die tiefliegende Rivalität, ist ja noch nicht vom Tisch. Sollte es zu neuen Konflikten kommen, sind Ölpreise bis zu 100 Dollar pro Barrel möglich“.

Die Gaspreise indes hatten mit größeren Sprüngen auf den Krieg in Nahost reagiert. Linda Yu: „Der Ölmarkt ist überversorgt, Gas ist knapper. “ Gestern wurde Erdgas in Europa wieder mit 35 Euro pro Megawattstunde gehandelt, im Flüssiggas-dominierten Markt kein unüblicher Preis. Pipelinegas ließ sich vor der Krise für etwa 20 Euro kaufen.

Ab 2026 will die EU den Import russischen Gases verbieten. DZ-Bank-Expertin Yu erwartet keine großen Preissprünge: „2024 hat russisches Gas 13 Prozent des EU-Verbrauchs ausgemacht. 2021 waren es 45 Prozent.“ Es bleibe genug Zeit für Ersatz. „Die Importe sollen nur schrittweise verboten werden. Und gerade die USA bauen neue Flüssiggas-Exportkapazitäten auf.“

Putins Kriegskasse

Russland finanziert seinen Krieg mit dem Verkauf fossiler Energie: „Die Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas haben 2023 rund ein Drittel des russischen Staatshaushalts gestellt“, erklärt Joschka Wanner. Er forscht am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). „80 Prozent davon stammen aus dem Ölhandel“. Laut Linda Yu kann Russland sein Öl erst ab einem Preis von 60 bis 70 Dollar pro Barrel profitabel verkaufen. Deshalb haben sich die G7-Staaten auf einen Preisdeckel von 60 Dollar für den Kauf russischen Öls geeinigt. Das wirkt: „Der Preisdeckel der G7 verbunden mit dem Einfuhrverbot in der EU kostet Russland ein Prozent seiner gesamten Wirtschaftsleistung“, so Wanner. Und das obwohl Russland versucht, die Sanktionen mit seiner Schattenflotte zu umgehen. „Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass Russland sein Öl teilweise 15 Dollar günstiger verkaufen musste als andere Exporteure.“

Solange Öl günstig ist, fehlt Russland Geld für den Krieg. Sollte sich die Weltwirtschaft erholen, ist aber mit steigenden Preisen zu rechnen. Wanner schlägt vor: „Wenn Europa in der Wärmeversorgung und der Mobilität schneller vom Öl wegkommt, wird das die Weltmarktpreise drücken“. Der Effekt würde nur zum Teil durch stärkere Nachfrage anderer Länder aufgewogen.

Neue Maßnahmen

Das IfW hat berechnet: „Jeder Euro, der nicht in russisches Öl fließt, kürzt das Verteidigungsbudget des Kreml um 13 Cent“, erklärt Wanner. „Für jeden Euro, den wir weniger für Öl ausgeben, bekommen wir 37 Cent indirekte Sicherheitsdividende. Das ist die geschätzte Summe, die wir nicht in unsere Aufrüstung und den Wiederaufbau der Ukraine stecken müssen“, so Ökonom Joschka Wanner. Um den schädlichen Effekt auszugleichen, sei eine Steuer von 37 Prozent auf Öl gerechtfertigt. Diese Funktion könne auch der zum Klimaschutz eingeführte CO2-Preis erfüllen: „Allein durch die Ersparnis im Verteidigungs- und Aufbaubudget wäre ein CO2-Preis von 62 Euro volkswirtschaftlich zu rechtfertigen“, so Wanner. Gerade sind es in Europa 71 Euro. Neben der Sicherheitsdividende ergebe sich ein zweiter Nutzen: „Die Einnahmen aus dem CO2-Preis können wir für Investitionen in heimische Erneuerbare Energien nutzen.“

Wanner rechnet mit einem positiven Effekt, wenn der freie CO2-Handel 2027 auf die Bereiche Verkehr und Heizen ausgeweitet wird. Denn heute zahlen Verbraucher beim Kauf von Benzin, Gas und Heizöl nur 55 Euro pro Tonne CO2 – laut IfW-Rechnung also zu wenig.

Artikel 7 von 7