Europa will zur Not US-amerikanische Waren mit Strafzöllen belegen, um Donald Trump zum Einlenken zu bewegen. © Christian Charisius/dpa
Brüssel – Die EU bereitet nach den neuen Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump zusätzliche Gegenzölle auf Importe aus den USA im Wert von 72 Milliarden Euro vor. Das kündigte der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic an. Das entspricht rund einem Fünftel der US-Exporte in die EU.
Bei den Vorbereitungen für die Gegenmaßnahmen geht es um eine Liste mit Industrie- und Agrarerzeugnissen aus den USA, die von neuen Zöllen der EU betroffen sein sollen, falls die europäischen Bemühungen für eine gütliche Einigung scheitern. Sie wurde nach einer öffentlichen Konsultation zuletzt noch einmal etwas angepasst. Ursprünglich umfasste sie Importe aus den USA in die EU im Wert von sogar 95 Milliarden Euro. Welche Produkte von der Liste gestrichen wurden, sagte Sefcovic zunächst nicht. Auf ihr standen auch symbolisch relevante Erzeugnisse wie amerikanische Flugzeuge, Autos und Bourbon Whiskey.
Auch die Börsen reagierten auf die jüngste Eskalation im Zollstreit: Nach der jüngsten Zolldrohung aus den USA in Richtung Europäische Union hat sich die Kurskorrektur im Dax am Montag fortgesetzt. Im frühen Handel sackte der deutsche Leitindex um 0,94 Prozent auf 24 027,13 Punkte ab und konnte sich damit zunächst über der runden Marke von 24 000 Zählern halten. Nach einem Jahresplus von zeitweise fast 24 Prozent setzten bereits zum Ende der Vorwoche Gewinnmitnahmen ein. Bis dahin hatten die Anleger die Zollrisiken konsequent ausgeblendet und den Dax auf ein Rekordhoch von 24 639 Punkten getrieben. Gestern ging der Leitindex mit 24 166 Punkten aus dem Handel.
Die Umsetzung der von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zollerhöhungen hätte nach Einschätzung der EU-Kommission drastische Auswirkungen auf den transatlantischen Handel. Wenn Zölle in Höhe von 30Prozent oder noch mehr in Kraft treten würden, wäre es nahezu unmöglich, den Handel in der gewohnten Form fortzuführen, sagte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am Randes eines Ministertreffens in Brüssel. Es sei dann mit erheblichen negativen Auswirkungen auf beiden Seiten des Atlantiks zu rechnen. „Seien wir ehrlich: Ein Zollsatz von 30 Prozent käme einem faktischen Handelsverbot gleich“, sagte Sefcovic.
Verhandlungen bis zum 1. August
EU-Handelskommissar Sefkovic betonte, dass er den Dialog mit den USA deswegen fortsetzen werde, um bis zum 1. August zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Dies ist das Datum, für das Trump das Inkrafttreten eines 30-Prozent-Zolls auf Importe aus der EU angekündigt hat. Sollte es keine Einigung geben, will die EU mit entschlossenen Gegenmaßnahmen reagieren. Bereits beschlossen sind Gegenzölle für den Fall, dass die USA die vor Monaten eingeführten neuen Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte nicht wieder aufheben. Sie betreffen Ausfuhren der Vereinigten Staaten im Wert von insgesamt 21 Milliarden Euro und könnten zu den Zöllen auf die Exporte im Wert von 72 Milliarden Euro hinzukommen. Zudem bereitete die EU-Kommission zuletzt auch Beschränkungen bestimmter EU-Exporte von Stahlschrott und chemischen Erzeugnissen in die USA im Wert von 4,4 Milliarden Euro vor.
Der Wirtschaftsweise Achim Truger plädiert für eine harte Linie: Sollte es auch bis Ende Juli nicht zu einer Einigung kommen, müssten die beschlossenen „Gegenmaßnahmen sofort ergriffen werden“, sagte Truger dem „Focus“ laut Vorabmeldung vom Montag. Außerdem müsse die EU „dann auch zu einer weiteren Eskalation bereit sein, etwa durch Maßnahmen gegen die US-Digitalkonzerne“. Auch Jürgen Matthes vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat von der EU ein härteres Auftreten im Zollstreit mit den USA und Präsident Donald Trump gefordert. „Wenn der Staatenbund schon nicht die Kraft und Einigkeit aufbringt, bereits am Anfang dieser Woche Gegenzölle einzuführen, sollte er zumindest ein automatisches Paket beschließen für den Fall, dass Trump wirklich Ernst macht“, erklärte Matthes. „Die EU würde Trump dadurch Grenzen aufzeigen“, führte er aus. Es sei richtig, eine Eskalation nach Möglichkeit zu verhindern, „aber ohne Gegendrohungen wird Trump uns nicht ernst nehmen“. Zugleich hält Matthes die Verhandlungsposition der USA für schwächer, als Trumps Auftreten vermuten lasse. „Vermutlich blufft der skrupellose Verhandler und US-Präsident mal wieder, signalisiert er doch selbst weiterhin Verhandlungsbereitschaft.“