Weniger Interesse an Nachhaltigkeit

von Redaktion

Windpark vor einem Kohlekraftwerk der RWE im niederländischen Groningen. © IMAGO

München – Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Noch vor drei Jahren gab jeder Vierte an, sein Geld in nachhaltige Geldanlagen zu investieren – jetzt ist es nur noch jeder Sechste. Ermittelt hat die Zahlen das Meinungsforschungsinstitut Innofact im Auftrag des Vergleichsportals Verivox. Über 1000 Personen in Deutschland wurden demnach befragt, gestern hat Verivox die Umfrage veröffentlicht.

Aus den Ergebnissen geht auch hervor: Nachhaltige Finanzprodukte („ESG“) werden nicht nur seltener gekauft, auch geben immer weniger Menschen an, sich für das Thema zu interessieren. Zwar bekunden laut der Umfrage nach wie vor 64 Prozent Interesse an nachhaltigen Geldanlagen, 2024 seien es aber noch 69 Prozent gewesen, im Jahr 2022 sogar 79 Prozent. „Damit hat sich der Abwärtstrend aus den Vorjahren weiter verschärft“, heißt es in der Studie.

Bleibt die Frage: Warum ist das so? „Das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen wird auch von der aktuellen Nachrichtenlage beeinflusst“, sagte Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Vor drei Jahren sei die gesellschaftliche Debatte viel stärker von Nachhaltigkeits-Themen dominiert gewesen. 40 bis 50 Prozent der Menschen hätten Klimaschutz sowie die Transformation der Energie-Versorgung damals zu den dringlichsten politischen Herausforderungen in Deutschland gezählt. Maier verweist dabei auf Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen. Demnach messen aktuell nur noch rund zehn Prozent diesen Themen eine überragende Bedeutung bei. „Hingegen nehmen andere Themen wie die anhaltende Konjunkturschwäche, der schwelende Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten oder die Migrationsdebatte im gesellschaftlichen Diskurs heute wesentlich größeren Raum ein“, sagte Maier.

Auch die großen Fondsanbieter berichten davon, dass nachhaltige Produkte inzwischen seltener gekauft werden. „Die Nachfrage hat sich gegenüber 2020 abgeschwächt“, sagte Experte Thorsten Saemann von der DekaBank in Frankfurt. Er wies aber auch darauf hin, dass Nachhaltigkeits-Strategien bei Anlegern weiterhin ein sehr hohes Ansehen genießen, ESG-Fonds würden von Anlegern weiterhin bespart.

Ähnlich äußert sich Anja Bauermeister, Abteilungsleiterin Publikumsfonds bei Union Investment: „Auch wenn Nachhaltigkeit mit Blick auf die aktuell zahlreichen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen eine etwas geringere Aufmerksamkeit bei Anlegern erfährt, sehen wir Nachhaltigkeit weiterhin als langfristiges Thema in der Geldanlage.“ Bei Privatanlegern gebe es nach wie vor eine gleichbleibende Anzahl an Sparplänen in Fonds mit Nachhaltigkeitsstrategie, bei Einmalanlagen seien diese Fonds aber weniger gefragt.

Auch die Verivox-Umfrage zeigt, dass keineswegs bei allen das Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten schwindet. Am größten ist die Aufgeschlossenheit laut Verivox bei jungen Erwachsenen unter 30 Jahren. In dieser Gruppe bekundeten demnach 81 Prozent der Befragten ein Interesse. „Mit zunehmendem Alter wird dieser Anteil immer geringer. In der höchsten Altersgruppe der über 70-Jährigen interessiert sich nur noch die Hälfte aller Befragten für ESG-Anlagen.“

Auch bei institutionellen Anlegern – also beispielsweise Versicherern und Pensionskassen – besteht der Nachhaltigkeitstrend offenbar weiterhin fort. Das sagt Dennis Baas, Leiter Nachhaltigkeit beim Vermögensverwalter Allianz Global Investors, der Teil des Allianz-Konzerns ist. Baas: „Wir sehen nicht, dass europäische Institutionelle Investoren Nachhaltigkeitskriterien reduzieren oder sogar ganz streichen.“ Das Gegenteil sei der Fall. „Bei dieser Anlegergruppe spielt insbesondere das Thema CO2-Reduktion und Berücksichtigung von Klimarisiken eine immer größere Rolle.“ Er gehe daher davon aus, dass insbesondere der Fokus auf die Vermeidung und Anpassung an den Klimawandel auch in der Geldanlage in Zukunft wichtig bleiben wird – auch in anderen Regionen der Welt: „Wir sehen auch bei asiatischen Investoren, dass der Klimaschutz immer mehr an Bedeutung gewinnt“, sagt er – obwohl der regulatorische Druck in Asien geringer sei.

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