INTERVIEW

Bestandsaufnahme überfällig

von Redaktion

mit Energiemanagerin über Netzausbau, KI und Wärmeplanung

Die Entscheidung für Erdkabel statt Freileitungen verteuert Stromnetze enorm. © Weihrauch, dpa

Frau Fabry, Wirtschaftsministerin Katherina Reiche will das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren rausnehmen, damit es besser zum Netzausbau passt. Hat sie Recht?

Wir sehen heute, dass wir mit dem Netzausbau oft nicht hinterherkommen und deshalb Erneuerbare Energien abregeln müssen. Die Entschädigungen dafür führen zu hohen Kosten für die Verbraucher. Ich finde es gut, wenn wir jetzt eine Bestandsaufnahme vornehmen, wie stark die Stromnachfrage überhaupt steigt und wie das Gesamtsystem am besten zusammenpasst. Wir benötigen da mehr Balance. Ich hätte mir gewünscht, dass man das schon 2014 gemacht hätte.

Heißt das, wir sind die Energiewende zu ambitioniert angegangen?

Das glaube ich nicht. Es ist wichtig, sich Ziele zu setzen, und auch der Plan war anfangs gut. Aber wir sehen etwa bei den großen Nord-Süd-Übertragungsleitungen, dass wir nicht so vorangekommen sind, wie wir uns das gewünscht hatten. Da hat der Gesetzgeber 2014 gesagt: Die Leitungen werden nicht mehr oberirdisch verlegt, sondern eingegraben.

Getrieben unter anderem von Horst Seehofer.

Genau, und auch zum Beispiel von Landräten aus dem Weserbergland und darüber hinaus. Damit wurde die Fertigstellung um Jahre verschoben. Und diese Verzögerungen spüren wir heute im Netz. Abgesehen von den Kosten, die bei Erdkabeln weitaus höher sind als bei Freileitungen.

Aus dem Raum Frankfurt hört man seit Jahren, dass keine neuen Rechenzentren angeschlossen werden können. Kürzlich hat BMW-Chef Oliver Zipse gewarnt, dass das Stromnetz es nicht hergeben würde, ab 2035 nur noch E-Autos zu verkaufen. Droht uns eine Überlastung des Systems?

Nur durch die E-Mobilität droht uns keine Überlastung, das ist eine Mär. Natürlich gibt es Engpässe im Netz, aber dann ist die Frage: Wie schnell kann ich wo laden? Es gibt ja sowohl relativ einfache Ladevorgänge in den Haushalten, als auch leistungsstarke Schnellladesäulen an öffentlichen Parkplätzen. Bei Rechenzentren ist oft die Geschwindigkeit das Problem: Meist sagen die Investoren: Wir wollen unser Projekt in zwei Jahren anschließen. Und wir müssen erst mal sehen, ob das übergeordnete Netz die Leistung überhaupt hergibt. Wenn Rechenzentren an einem Ort mit Netzengpässen entstehen sollen – wie Frankfurt –, ist die Lösung deshalb oft eine Gasturbine vor Ort – direkt neben dem Rechenzentrum. Wenn dieses wegzieht, ist die Gasturbine ein „stranded invest“.

Gasturbinen sind auch teuer. Man hat den Eindruck, in den USA läuft vieles einfacher: Meta hat jüngst die Stromproduktion von einem alten AKW eingekauft. Werden wir in Sachen KI abgehängt?

Das glaube ich nicht. Deutschland ist als Standort sehr attraktiv, weil wir so strenge Datenschutzvorschriften haben. Inzwischen sind die Betreiber der Rechenzentren auch sehr gut darin, Standorte zu finden, an denen sie schnell ans Netz gehen können. Das machen sie vor allem, indem sie sich mit einem Projekt für verschiedene Netzanschlüsse bewerben. Das bindet natürlich auch unsere Kräfte und ist einer der Gründe, warum der Netzausbau seine Zeit braucht.

Was sind die anderen?

Auch die übergeordneten Netze sind meist nicht auf die großen Stromverbraucher ausgelegt, die wir gerade ins System bringen. Der Ausbau findet statt, dauert aber Jahre. Dazu kommen lokale Herausforderungen: Ein Kölner Unternehmen will auf grüne Energie umstellen und braucht dafür eine stärkere Leitung. Wir müssen jetzt bis Ende 2027 über zwei Kilometer ein Kabel durch die Stadt verlegen und dabei eine Bahntrasse untertunneln. Dazu kommt das Material: Natürlich versuchen wir vorausschauend zu bestellen, aber die Kapazitäten sind knapp.

Köln muss wie München eine kommunale Wärmeplanung vorlegen. Was ist Ihre Strategie?

Die Kommunale Wärmplanung liegt in der Hoheit der Stadt, wir bringen uns da natürlich ein. Wir setzen auf mehrere Standbeine, und wir wollen am Ende 30 Prozent des Kölner Wärmebedarfs aus unserem Fernwärmenetz decken – heute sind es 18 Prozent. Einen Anschlusszwang wie in anderen Städten gibt es nicht; wir müssen natürlich sehen, dass sich möglichst viele größere Objekte anschließen lassen, damit sich das für alle rentiert. Die Wärme muss für die Menschen bezahlbar bleiben, das ist für uns eine Richtschnur.

Bei Ihnen und vielen anderen Stadtwerken kommt die Wärme zum Teil aus Gaskraftwerken. Das wird in Zukunft teurer.

Wir bauen gerade, gefördert auch mit Mitteln von Bund und EU, Europas größte Flusswasserwärmepumpe für die Kölner Fernwärme. Damit werden wir einen großen Teil unserer Fernwärmeversorgung dekarbonisieren. Noch wichtiger ist der preisdämpfende Effekt: Wir können zu Zeiten billigen Stromangebots die Fernwärme über die Wärmepumpe erzeugen, und wir können günstige Gaseinkaufspreise nutzen, um die Wärme aus unseren Gaskraftwerken zu liefern. Dieser Wechsel hat nicht nur Umwelt-, sondern auch Preisvorteile. Das werden auch unsere Kunden merken.

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