München – Die deutsche Autoindustrie musste zuletzt Gewinneinbrüche verkraften. Volkswagen, Mercedes, BMW, Porsche und Audi traf es hart, noch härter allerdings deren Zulieferer: Bosch, ZF, Continental & Co. Auf einer der wichtigsten Schlüsselindustrien lastet gewaltiger Druck. Ist das erfolgsverwöhnte Autoland Deutschland am Ende?
„Von einer echten Krise sind die deutschen Automobilhersteller noch weit entfernt“, sagt Frank Schwope, Autoexperte und Lehrbeauftragter an der Fachhochschule des Mittelstands Berlin. Tiefrote Zahlen seien nicht in Sicht. Die großen Autobauer hätten zwar Einbrüche, schrieben aber immer noch Milliardengewinne.
In den Corona-Jahren seien die deutschen Hersteller extrem verwöhnt worden und hätten extrem hohe Gewinne eingefahren. „Das waren teilweise Gewinne, für die die Vorstände nicht viel konnten“, sagt Schwope. Chips für Autos seien Mangelware gewesen, die Hersteller hätten zwar weniger Autos verkauft, dafür aber die deutlich teureren mit entsprechend höheren Gewinnspannen.
Alles richtig gemacht hätten die Autobauer natürlich nicht. „Die deutschen Hersteller haben den Trend zur Elektromobilität verschlafen“, sagt Schwope. Insbesondere auf dem chinesischen Markt träfen sie kaum den Geschmack junger Leute oder moderner Autokäufer. Auch beim autonomen Fahren seien die Deutschen momentan nicht konkurrenzfähig. Ähnlich sieht das Constantin Gall, Autoexperte bei der Beratungsgesellschaft EY. Für die deutsche Autoindustrie häuften sich aktuell die Belastungen. „In China, dem wichtigsten Absatzmarkt der deutschen Autokonzerne, verlieren die deutschen Autokonzerne derzeit Marktanteile“, meint Gall. Hinzu kämen Milliardenbelastungen, die sich aus den US-amerikanischen Importzöllen ergäben.
Die Gewinneinbrüche ausschließlich auf die schwierigen Umstände zurückzuführen, wäre aber zu kurz gesprungen. Zum Teil seien die Probleme auch hausgemacht. „Der Superzyklus der Jahre 2021 bis 2023 mit Traummargen dank Covid, Chipmangel und Lieferkettenunterbrechungen hat offenbar einigen Marktteilnehmern ein trügerisches Gefühl der Sicherheit gegeben, sodass das Kostenmanagement vernachlässigt wurde“, so Gall.
Auch die Gewerkschaft sieht hausgemachte Probleme, für welche „das Management die Verantwortung übernehmen sollte“. Aktionäre sollten zudem bei der Höhe der Dividenden Abstriche machen. „Wir müssen da zusammen durch“, sagt IG-Metall-Chefin Christiane Benner. Für einige Zulieferer sei die Situation allerdings hart. „Kostendruck und hohe Investitionskosten für die Transformation bei ausbleibenden Erträgen bringen viele an den Rand der Existenznot“, so Benner. Vor allem in Bayern fürchtet die IG Metall, dass in einer zweiten Welle zehntausende Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Auch jetzt habe man eine schwierige Zeit, sagt der Landesvorsitzende Horst Ott über den aktuellen Jobabbau. Doch diesen könne man mit den eigenen Mitteln beherrschen. „Momentan läuft das noch ohne Kündigungen, mit Altersteilzeit oder durchaus großzügigen Abfindungen. Aber das ist ein süßes Gift, denn so geht der Abbau leise vonstatten.“ In ein paar Jahren könne das aber „ganz anders aussehen“, warnt er. „Dann könnte eine Welle auf uns zukommen, die sich dann vielleicht auch nicht mehr ohne betriebsbedingte Kündigungen bewältigen lässt.“
Doch es gibt Hoffnung: Anziehende Zahlen bei der E-Mobilität zum Beispiel. IG-Metall-Chefin Benner: „Da tut sich was“. Die Unternehmen müssten jetzt einen langen Atem beweisen und weiter in Zukunftsprodukte investieren. Das werde sich auszahlen, wenngleich die Durststrecke für den einen oder anderen gerade etwas lang werde, so Benner.
Auch der Berater Harald Christ blickt gar nicht so negativ in die Zukunft. Die deutsche Automobilindustrie könne eines sehr gut, nämlich aus einer schwierigen Ausgangssituation wieder eine neue Innovationsoffensive zu starten.