Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will, dass auch Beamte in die Rentenversicherung einzahlen sollen. © Cornelius Popovici
Die Bundesregierung ist gut 100 Tage im Amt, aber nicht in allen Dingen einig: Während Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre vorgeschlagen hat, hält Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) von dieser Idee wenig. Im Interview spricht die Politikerin aus Duisburg über ihre Ideen.
Wie stabil ist die Rente, Frau Bas?
Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass das Renteneintrittsalter nicht angehoben wird. Wir werden eine Rentenkommission einsetzen, die Reformvorschläge machen wird. Deren Arbeit kann ich nicht vorwegnehmen. Ich glaube aber, dass viel auf den Tisch kommt – so auch meine Überzeugung, dass mehr Leute einzahlen sollten. Das wurde öffentlich sehr hitzig diskutiert. Genau wie die Idee, das Renteneintrittsalter für alle zu erhöhen.
Sie meinen den Vorschlag von CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche…
Ich rede in diesem Zusammenhang immer von einer versteckten Rentenkürzung. Wer mit 16 Jahren angefangen hat und körperlich schwer arbeitet, schafft es oft nicht so lange. Das sehen wir ja jetzt schon. Das normale Renteneintrittsalter liegt derzeit bei etwas über 64 Jahren, viele kommen da nicht hin. Es ist natürlich nicht verboten, länger zu arbeiten. Für alle, die es können und wollen, schaffen wir Anreize. Freiwilligkeit ist der bessere Weg.
Wer auf dem zweiten Bildungsweg als Lehrer verbeamtet wurde, bekam schon nach weniger als 30 Jahren Arbeitszeit eine Pension, von der normale Arbeitnehmer nach 45 Jahren nur träumen können. Ist das Beamtensystem noch zukunftsfähig?
Ich bringe mal ein Beispiel: Ich bin Abgeordnete und habe damit automatisch einen Pensionsanspruch aufgebaut. Dafür kann ich nichts, das ist automatisch so angelegt. Man muss mittlerweile zumindest acht Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages sein, bis das greift. Am Ende dieser Legislaturperiode habe ich einen Pensionsanspruch, den normale Beschäftigte nicht erreichen.
Entschieden von Beamten für Beamte…
Früher hatten wir noch ein gesetzliches Rentenniveau von 70 Prozent. Wenn das inzwischen bei 48 Prozent liegt, aber die Beamtenbesoldung oben bleibt, dann wirkt das ungerecht.
Und dass es so lange verschlafen wurde…
Um das sogenannte Alimentationsprinzip zu ändern, benötigt man eine Grundgesetzänderung und die Zustimmung der Bundesländer. Die meisten Lehrkräfte, Polizistinnen und Polizisten sowie Justizbeamte sind in den Länderhaushalten platziert. Deshalb finde ich die Forderung so spannend, dass der Bund etwas tun muss. Selbst wenn ich es möchte, brauche ich das Ja der Bundesländer.
Alles dauert lange, es gibt viele Kommissionen. Nerven die langen Entscheidungswege?
Ich bin ja keine Alleinherrscherin. Auch als Bundestagspräsidentin war ich nicht allein, sondern habe mit dem Präsidium und dem Ältestenrat zusammengearbeitet. Aber es macht mir als Ministerin einfach Freude, Diskussionen anzustoßen und Ideen einzubringen. Seit die Vorschläge auf dem Tisch sind, kommen viele Leute zu mir. Ein Unternehmer drückte mir sein Konzept zur Rentensicherung in die Hand. Die Leute diskutieren und wollen mitreden, wie wir das System sicher machen können. Das finde ich spannend.
Jetzt wollen die Rentner mit dem ersparten Geld essen gehen, aber das Restaurant hat zu, weil das Personal fehlt. Gleichzeitig kollabiert das Bürgergeldsystem mit 47 Milliarden Euro Ausgaben.
Das System kollabiert nicht. Fakt ist: Die Ausgaben für das Bürgergeld sind in Relation zum Bruttoinlandsprodukt niedriger als vor einigen Jahren. Wir brauchen einen dynamischeren Arbeitsmarkt und ich kann auch nicht jeden Menschen zum Arbeiten in die Pommesbude schicken. Und Zwangsarbeit haben wir in diesem Land zum Glück auch nicht.
Und wie sieht Ihr Weg aus?
Ich habe beide Seiten: Die Jobcenter-Mitarbeiter, die mehr Instrumente benötigen wie Mitwirkungs- und Sanktionselemente. Die kennen ihre Pappenheimer. Und ich habe die, die Hilfe benötigen und vielleicht nur drei Stunden am Tag arbeiten können. Theoretisch stehen sie dem Arbeitsamt zur Verfügung, aber finden Sie mal einen Arbeitgeber, der sie einstellt. Und dann hatte ich einen 55-Jährigen in der Sprechstunde, der arbeiten möchte, aber wegen seines Alters keinen Job mehr findet.
Und was sagen Sie ihm?
Ich versuche zu helfen. Meine Botschaft an die Industrie lautet: Ihr könnt nicht sagen, uns fehlen die Fachkräfte, aber den 55-Jährigen stellen wir nicht mehr ein.