Ein Volkswagen war Anliegen von Adolf Hitler, der hier im Jahr 1935 mit Ferdinand Porsche (ohne Kopfbedeckung) den ersten Wagen vom Typ Käfer begutachtet. © Foto: DB dpa
Ferdinand Porsche im März 1950 vor einem Porsche, der vor seiner Stuttgarter Wohnung parkt. © dpa
Stuttgart/Wolfsburg – Viel hätte nicht gefehlt, und Ferdinand Porsche wäre Bauklempner geworden. Doch als junger Geselle begeisterte sich Ferdinand für die damals noch neue Wunderwelt der Elektrizität. Heimlich baute der Tüftler ein kleines Kraftwerk aus Dampfmaschine und Dynamo – und ließ das ganze Haus im Glühbirnen-Licht erstrahlen. Das waren die ersten Schritte zu einem der weltgrößten Autoimperien: Volkswagen. Vor genau 150 Jahren, am 3. September 1875, kam Porsche im Werkstatthaus seines Vaters Anton im heute tschechischen Vratislavice nad Nisou (Maffersdorf) zur Welt.
Mit der Dynamo-Aktion soll Ferdinand dem Vater bewiesen haben, dass er zu Höherem berufen war. Porsche ging nach Wien und wurde zu einem Pionier des Elektroautos, das heute eine Wiederauferstehung erlebt. Sein Fahrzeug, dessen Räder einzeln angetrieben wurden, nannte er „Semper Vivus“ (immer lebendig). Es ähnelte noch eher einer Kutsche. Mit dem „Mixte-Wagen“ folgte wenig später das erste voll funktionsfähige Hybridfahrzeug.
■ Schöpfer des Ur-Käfers
Während diese Innovationen bald in Vergessenheit gerieten, schrieb Porsche mit einer anderen Entwicklung Automobilgeschichte. Der Volkswagen Käfer. Mehr als 21,5 Millionen Käfer in diversen Variationen wurden bis zum endgültigen Produktionsende 2003 gebaut.
Der erste „Volkswagen“ steht indes auch für die unrühmliche Schattenseite Ferdinand Porsches: seine Verquickung mit den Nationalsozialisten. Denn der Vorläufer des Käfers entsprang der Forderung Adolf Hitlers nach einem Kleinwagen, der nicht mehr als 1000 Reichsmark kosten durfte. Porsche entwickelte den sogenannten „Kraft durch Freude“-Wagen, doch bis zum Kriegsende entstand nur eine Kleinserie. Die militärische Produktion von Kübel- und Schwimmwagen auf Basis des ersten „Volkswagens“ ging vor.
Die Nationalsozialisten machten Porsche zum „Wehrwirtschaftsführer“. Nach dem Krieg nahmen die französischen Besatzungsbehörden ihn 22 Monate in Haft. Sie warfen ihn vor, Zwangsarbeiter eingesetzt zu haben. Aber als Kriegsverbrecher angeklagt wurde er nie. Ferdinand Porsche starb am 30. Januar 1951 in Stuttgart.
■ Vom Erbe zum Imperium
Heute kontrollieren die Nachkommen des legendären Käfer-Konstrukteurs über eine Holding die Mehrheit der Stimmrechte im VW-Konzern. Seit dem Jahr 2022 halten sie auch wieder eine Sperrminorität an dessen börsennotierter Tochter: Porsche. Doch das war nicht immer so: Nach dem Krieg war Volkswagen im Staatsbesitz – und wurde erst im Jahr 1960 überwiegend privatisiert. In Stuttgart baute Ferry Porsche in dieser Zeit das Konstruktionsbüro seines Vaters zum Sportwagenhersteller aus. Als VW-Eigner kam die Familie aber erst vor 20 Jahren ins Spiel. Damals stieg der Sportwagenbauer bei dem Wolfsburger Konzern ein – und verzockte sich bei der Übernahme. Letztlich drehte VW den Spieß um und schluckte die Stuttgarter. Daher ist Porsche heute eine von zehn VW-Konzernmarken. Die beiden vom Käfer-Konstrukteur abstammenden Familienzweige Porsche und Piëch gelangten so jedoch in den Besitz der Mehrheit der entscheidenden VW-Stammaktien.
■ Dynastie am Steuer
Neben Wolfgang Porsche (82), dem Enkel von Ferdinand, gibt es eine weitere entscheidende Figur in der Familie: Hans-Michel Piëch. Der 83-Jährige führt seinen Familienzweig und sitzt wie sein Cousin in einer ganzen Reihe von Aufsichtsräten und Gremien. Auch viele andere Mitglieder der weit verzweigten Familie haben einflussreiche Posten im Imperium.
■ Wer wird Nachfolger?
Bereits seit einiger Zeit wird darüber spekuliert, wen die beiden Patriarchen als Nachfolger benennen könnten. Ihre Mandate laufen aber noch mehrere Jahre.
Zumindest Wolfgang Porsche hat bereits klargemacht, dass danach Jüngere das Ruder übernehmen sollen. Denkbar ist zum Beispiel, dass Ferdinand Oliver Porsche (64) die Nachfolge seines Onkels übernimmt. Auf der Piëch-Seite kristallisiert sich öffentlich bislang kein Nachfolger heraus. Ein Sprecher der Porsche SE wollte die Nachfolgefrage nicht kommentieren.
Die Machtkonzentration bei den Milliardärsfamilien sorgt auch immer wieder für Kritik. Zuletzt entzündete sie sich an der Doppelrolle von Oliver Blume als Porsche- und VW-Chef. Bei Porsche gelte „Familie statt Finanzmarkt“, sagte Hendrik Schmidt vom Fondsanbieter DWS bei der letzten Hauptversammlung. Der ausbleibende Generationenwechsel zementiere diese „Wagenburgmentalität“.